Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
silberbeschlagenes Zaumzeug, edelsteingeschmückte Waffen, Ketten und Behänge.
Er ritt mit Abbas voran auf einem rotbraunen Hengst, wir folgten ihm auf meines Vaters Apfelschimmel, nach uns kam eine Menge berittener Diener, einige von ihnen ebenfalls mit Söhnen – wenn ich mich recht erinnere, waren es etwa ein Dutzend Knaben, die an diesem Tage in die Gemeinde der Gläubigen aufgenommen werden sollten. Neben den Reitern schritten Musikanten mit Pauken, Hörnern und diesen langhalsigen Fiedeln, die man dort Gridschek nennt, und hinter ihnen schloss sich eine Menge von Menschen an, die alle festlich gekleidet waren und ihre Blumensträuße und Fahnen eifrig schwenkten. So zogen wir in feierlichem Schritt durch die halbe Stadt, und jetzt erst gingen mir die Augen über. Selbst die Hitze spürte ich nicht mehr, so sehr war ich eingefangen von dem nie Geschauten, ja nicht einmal Erträumten.
Unübersehbar das Gewirr des Basars – unmöglich, all die zur Schau gestellten Dinge im Vorüberreiten auch nur wahrzunehmen, alles verschwamm vor meinen Augen. Auch die einzelnen Laute waren nicht auseinanderzuhalten: Das Rufen der Marktschreier, das Gebrüll der Esel, das Gezanke und Geplärre von jung und alt – all das mischte sich in meinen Ohren zu einem einzigen Ton.
Nicht so ging es mir beim Anblick der riesigen Gotteshäuser mit ihren hohen Kuppeln, die mit strahlendblauen glasierten Ziegeln gedeckt sind, und der hochragenden Türme, von denen der Wächter seinen Gebetsruf erschallen lässt: Sie prägten sich mir so tief ins Gedächtnis ein, dass ich sie heute noch im Wachen und im Traum vor mir sehe. Bei ihrem ersten Anblick aber, an jenem unvergessenen Tage, schlug mir das Herz in der Brust fast zum Zerspringen, und als wir die Stadt verließen, musste mich mein Vater festhalten, dass ich ihm nicht, indem ich den Kopf nach rückwärts wandte und mich zu weit zur Seite lehnte, aus dem Sattel fiel.
Ja, wir ritten durchs Tor hinaus. Durchs Türkistor, das im Süden der Stadt die Befestigungsmauer durchbricht, dann über die Brücke, die den Stadtgraben überquert, die Pappelallee entlang bis zum Platanengarten, wo uns der junge Herrscher erwartete.
Die Gärten Samarkands zu beschreiben, will ich mich nicht unterfangen, nur so viel will ich sagen, dass sie es sind, die den Namen dieser Stadt »Paradies auf Erden« rechtfertigen. Rund um die Befestigungsmauer sind sie angelegt, von Bäumen bestanden, von Blumenbeeten durchzogen, mit Lusthäusern ausgestattet.
Auf dem Söller eines solchen Lusthauses stand Ulug Beg und blickte uns entgegen. Damals hörte ich zum ersten Mal jene Worte, die mir seither noch oft zu Ohren kamen, denn als Ben Nisam beim Söller angekommen war, hielt er den Braunen an, erhob sich im Steigbügel und rief, so laut er konnte: »Lang lebe unser großmächtigster Sultan, der Bezwinger der Fürsten und Völker, Ulug Beg, der Schatten Gottes auf Erden!« Und aller Hände reckten sich, aller Köpfe wandten sich ihm zu, ich sah seine schlanke Gestalt und sein schönes, junges, scharf geschnittenes Gesicht, in dem der Bart nur eben zu sprossen begann und das doch schon so ernst war, dass nur ein dünnes Lächeln über seine schmalen Lippen lief.
»Schatten Gottes auf Erden!« schrie auch ich aus Leibeskräften, denn dieses Wort bezauberte mich, aber mit einem Mal bemerkte ich, dass die Sonne, die sich nun bereits dem Horizont zu neigte und schräg hinter dem Lusthaus stand, seinen Schatten tatsächlich lang und verzerrt auf die Rasenfläche des Gartens warf. Da überkam mich eine Beklommenheit wie vor einer Erscheinung.
Das war aber nur das Empfinden eines Augenblicks. Denn im nächsten wurde ich wachgerüttelt durch meinen Vater, der mich plötzlich hochhob und einem andern Reiter, der bereits seine Hand nach mir ausstreckte, übergab, um dann blitzschnell auf seinem Hengst davonzugaloppieren. Mein Erschrecken über dieses unerwartete Geschehen dauerte indessen ebenfalls nur einen Atemzug lang, denn was ich nun zu sehen bekam, ließ mich alles andere vergessen: Über die Hecken, die die Wege umsäumten, setzten Reiter, die Luft war erfüllt vom Wiehern und Stampfen ihrer Rosse, und auf der breiten Wiese, die sich vor dem Lustschloss ausdehnte und wohl auch zu solchen und ähnlichen Zwecken angelegt war, wurden Reiterspiele vorgeführt. Das war eine Überraschung selbst für Ben Nisam, und mein Vater hatte sie sich ausgedacht.
Ohne Sattel saßen die Burschen auf ihren Pferden, ließen sie
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