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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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sank in sich zusammen. Sie schrie nicht mehr, sie weinte nicht mehr, sie ließ sich auf den Teppich nieder und kauerte dort wie versteint.
    Wie lange sie schwiegen! Unheimlich war diese Stille. Ich wollte sie durchbrechen, aber das Wort blieb mir in der Kehle stecken.
    Endlich sprach mein Vater wieder. So leise, dass ich ihn kaum verstand.
    »Als mir Sacharja seine Schwester zur Frau anbot – du weißt davon, ich erzählte es dir, konnte ich das ausschlagen, indem ich mich auf mein Gelübde berief. Das ging dem guten Sacharja zwar sehr gegen den Strich, gern hätte er sich mit mir verschwägert, weil er sich Vorteile davon versprach, aber als frommer Moslem durfte er es nicht zeigen, denn das Gelübde eines Gläubigen ist heilig, jedermann hat es zu achten. Ich versöhnte ihn mit einem Geschenk, und viel hätte er mir ja auch nicht schaden können, einflusslos und wenig klug, wie er ist. Aber Achmad Ben Nisam!
    Weißt du, was für eine hohe Ehre es ist, wenn ein Würdenträger zu einem an Rang weit unter ihm Stehenden sagt: ›Feiere das Fest der Beschneidung deines Sohnes mit dem des meinen‹? Es gibt kein Gelübde, hinter dem ich mich verschanzen, keinen irgendwie gearteten Grund, den ich vorschützen könnte! Wenn ich aber die Wahrheit eingestehen wollte – o Nino, was glaubst du, dass uns dann geschähe?« Da richtete sich meine Mutter im Sitzen steil auf, und ihre Stimme war vor Erregung ganz heiser, als sie sagte: »So geh doch! Geh und heirate die Schwester des Sacharja! Hole dir Frauen, so viele du magst, und richte dir einen Harem ein, wie die Herren dieses Landes ihn haben! Mich aber gib frei, denn meines Gelübdes wäre ich dann ledig.« »Und was meinst du, Unglückselige, was aus dir werden würde?«
    »Zu Hofe würde ich gehn, mich dem jungen Prinzen zu Füßen werfen und ihn fragen: ›Muss der Sohn einer christlichen Sklavin, die ihr Herr freigelassen hat, als Moslem aufwachsen, oder darf er mit seiner Mutter in deren Heimat zurückgehn?‹«
    »Du sprichst wie ein unsinniges Kind, Nino, wie ein Kind, das das Leben nicht kennt. Dein Schutzengel hat dich bis heute behütet, er hat dich aus den Händen der Tataren in die meinen gelegt, ohne dass dir ein Haar gekrümmt worden ist …«
    »Meine Gebete haben mich beschützt! Sie haben mich vor Timurs Augen geborgen, sie und nicht Tökel, die nur ausführen musste, worum ich zu Gott schrie: dich wiederzusehen! Mit dir vereint zu werden! Oh, hätte ich das nicht erfleht! Hätte ich versucht, mich ihm bemerkbar zu machen, dem lahmen Tataren, vor dem ich zitterte, wenn ich nur seinen Namen hörte!
    Warum hatte ich Angst? Warum war ich so kleingläubig? Hätte mir Gott nicht die Kraft verleihen können, ihn zu bekehren, wie die andre Nino ihren König Miriam bekehrt hat, wenn ich nur inbrünstig genug darum gebetet hätte? Oder, wenn das nicht in seiner Absicht lag – hätte er mich nicht als Märtyrerin für seinen Sohn sterben lassen können wie die heilige Schuschanik?
    Aber ich war dessen nicht wert! Ich habe versagt, weil eine irdische Liebe mein Herz gefangenhielt, sodass die himmlische zu unserm Erlöser darinnen nicht Platz genug fand.« »O Nino, du weißt nicht, was du sprichst. Schutzlos wolltest du dich in die Hände eines Mächtigen begeben?« »Ich bin nicht schutzlos!« antwortete sie, und plötzlich hielt sie einen Dolch in der Hand. »Ehe mich einer anrührt, sitzt diese Klinge in meinem Herzen!«
    Da sprang mein Vater auf, packte ihr Handgelenk und drückte es so fest, dass der Dolch ihr entfiel. »Du weißt nicht, wie schön du bist!« rief er außer sich, »du weißt nicht, wozu Männer imstande sind!« Und er presste sie an sich, dass sie stöhnte: »Lass mich los, ich ersticke!« Vor Schrecken schrie ich laut auf, denn ich dachte, er wolle sie töten.
    Wie vom Donner gerührt, taumelten sie auseinander, und mein Vater herrschte mich an: »Was hast du hier zu suchen? Hab ich dir nicht befohlen, aus dem Zimmer zu gehn?«
    Das hatte er zwar nicht, aber ich wagte nicht, ihm zu widersprechen, sondern schlich stumm hinaus.
    Meine Mutter kam hinter mir her, nahm mich auf den Schoß, trocknete meine Tränen. Als ich meine Fassung wiedergefunden hatte, sagte ich trotzig: »Ich werde dich schützen – auch vor ihm!«
    »Ach, Kind«, sie lächelte mir zu, obwohl noch Tränen auch in ihren Augen standen, »dein Vater ist der beste Mensch der Welt. Tu alles, was er dir befiehlt – aber höre niemals auf, mich lieb zu haben, was immer auch

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