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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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geschehen sollte.« Das versprach ich ihr, und sie führte mich zu meinem Vater zurück. Der schloss uns beide in die Arme und sagte dann sehr leise: »Auch unser Herr Jesus Christus ist am siebenten Tag nach seiner Geburt von seinen Eltern in den Tempel geführt worden, um das Zeichen des Bundes, den Gott mit Abraham geschlossen hatte, an seinem Leibe zu empfangen – warum sollte da unser Giorgi einen Schaden davontragen?«
    »Achmad Ben Kükülli, willst du sagen, denn diesen Namen wirst du deinem Sohn ja nun wohl zu Ehren deines Protektors geben.«
    »Köváry György«, erwiderte mein Vater wie unter einer Eingebung, »das soll der letzte Name sein, den er trägt.« »Oder Giorgi Ischtwanidse«, fügte meine Mutter leise hinzu, »wenn Gott es so will.«
    Es dauerte dann nicht mehr lange, bis sich das Tor unseres Hauses vor mir auftat. Die Kinder unserer Dienerschaft hatten mir manchmal etwas erzählt von dem, was sich draußen zutrug. Sie trieben sich auf den Basaren herum, sahen die Emire in ihren seidengestickten Gewändern, sahen die Mollahs in ihren weißen Tailasanen, wussten, dass die Händler blaue Turbane trugen und die Nachkommen des Propheten grüne, halfen auch einmal einem hohen Herrn in den Sattel, wenn es ihnen gelang, schnell genug hinzuzuspringen und den Steigbügel zu halten, erhaschten dafür wohl einen halben oder gar einen ganzen Dirhem, mit dem sie sich Nusskerne und Granatäpfel und allerhand Näschereien kauften, die sie dann stolz mit mir teilten. Darum stellte ich mir die Welt außerhalb des Tores bunt vor und voller Süßigkeiten, und ich war maßlos enttäuscht, als ich zum ersten Mal meinen Fuß auf die Straße setzte, denn nichts anderes bot sich meinen Augen dar als die öden, fensterlosen Lehmwände der gegenüberliegenden Häuserzeile und der Staub, der in großen Wolken von meinen Füßen aufgewirbelt wurde. Und die Glut des Sommertages, die eine gnadenlose Sonne in die jeden Schattens bare Gasse hineinwarf, benahm mir fast den Atem. So hatte ich Mühe, an der Hand meines Vaters dahinzustapfen, und jeder Schritt war mir eine Qual.
    Auch vor den Pferden, die aus den Ställen geführt wurden, hatte ich Angst und klammerte mich erschrocken am Rock meines Vaters fest. »Schau da, das Muttersöhnchen!« rief er und lachte unwillig. »Als ich so alt war wie du, ritt ich schon wie ein Teufel!« Und ehe ich mich's versah, packte er mich und hob mich auf seinen Schimmel.
    Ich schrie und klammerte mich an der Mähne des Tieres fest, er schwang sich hinter mich in den Sattel, und ohne auf mein Geplärr zu achten, trabte er durch die Straßen der Stadt bis zum Hause Ben Nisams, gefolgt von einem kleinen Tross von Dienern und Pferden.
    Ben Nisam erwartete uns schon. Abbas, sein Sohn, kaum älter und etwas kleiner als ich, stand vor der Tür, und ich sah ihn damals zum ersten Mal: ein schmales, schwarzlockiges Bubengesicht mit Lippen, die sich gern aufschürzten, und Augen, denen man ansehen konnte, wann er am heftigsten log – dann nämlich, wenn er am treuherzigsten dreinschaute. (Das freilich bekam ich erst viel später heraus.) Er rief uns einige Worte zu, die ich nicht verstand, weil sie persisch waren, die mein Vater aber belachte und, ebenfalls persisch, beantwortete. Das war die zweite Enttäuschung. Konnten die Menschen hier denn nicht einmal richtig reden?
    Richtig – das war georgisch oder türkisch. Beide Sprachen waren mir gleichermaßen geläufig, da sich meine Mutter mit mir in der einen, mein Vater in der andern unterhielt. Dass es aber außer diesen noch viele gab und dass man sich in der Welt um so besser zurechtfand, je mehr man ihrer verstand, das begann mir damals aufzudämmern, als die Laute immer verwirrter in meine Ohren drangen, bis sich endlich wieder einige Sätze darin verfingen und ihren Sinn offenbarten: »Kommt herein, das Essen ist aufgetragen!«
    Es schmeckte mir nicht. Ich war andere Speisen gewohnt. Aber wenigstens störte mich kein unverständliches Gerede. Im Morgenlande spricht man nicht während des Essens und schon gar nicht im Hause eines Persers, die ja meinen, ihre Sitten wären die feinsten und vornehmsten der Welt.
    Nach der Mahlzeit stiegen wir wieder zu Pferde. Man hatte mich festlich herausgeputzt, mit Blumen bekränzt und mit bunten Schärpen behängt, und noch prächtiger waren die Pferde geschmückt, denn Ben Nisam holte alles, was nur irgendwie geeignet schien, den Glanz seines Hauses zu erhöhen, aus seinen Truhen: goldgestickte Decken,

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