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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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eigenen Ohren hören. Nun bereute ich das fast. Doch sprach ich mir gut zu: Nein – das Lehen einem wegnehmen, der mit ins Feld gezogen und in türkische Gefangenschaft geraten ist – das macht der Hunyadi János nicht, das tut er einem Gefolgsmann nicht an. (Ja, das war nun meine neue Legende – fast glaubte ich sie selber: Aus türkischer Gefangenschaft kehrte ich heim.)
    Und dann stand ich am Hoftor. In abgerissenen Kleidern. Ein Bettler, den alle Hunde anbellen. Und hatte nichts anderes im Kopf und Herzen als: gutmachen. Mich lösen von der Schuld. Wieder ein Mensch sein, der jedem andern Menschen in die Augen sehen darf.
    Den Hof überflog ich mit einem Blick. Er war in Ordnung. Das Haus und die Ställe mit weißem Kalk getüncht, der Zaun grün gestrichen, das Dach mit neuen Ziegeln gedeckt. (Mit Ziegeln? Und es war doch ein Schindeldach gewesen!)
    Der Hund schlug an, die Haustür tat sich auf, eine Frau trat heraus. Margit! Ja, sie war es, ich erkannte sie mehr an ihren Bewegungen als an ihrem Gesicht. Aber was hielt sie im Arm? War dieses Bündel, dem sie den Kopf zuneigte, nicht ein ... Säugling? Jetzt hörte ich auch sein Weinen, sah ihre wiegenden Armbewegungen, wusste ... wusste, dass sich auch die letzte Heimstatt vor mir verschloss. Und ich stand wie angewachsen vor dem großen schmiedeeisernen Tor, dessen Klinke ich schon in der Hand hielt, sie nun aber nicht niederdrücken konnte, mich nur an ihr anklammerte, als müsste ich sonst umsinken vor Schwäche. Margit sah mich so stehen und rief ins Haus hinein: »Gyurka, meine Seele, geh und trag dem armen Mann dort draußen ein Stück Brot hinaus!«
    Und mein Sohn kam heraus und brachte mir – nein, nicht ein Stück, fast einen halben Laib jenes schönen hellen Weizenbrotes, wie man sie dortzulande bäckt: Margit war darin eine Meisterin.
    Ich sagte: »Danke, mein Junge. Ich komme von weit her und habe großen Hunger.« Und fing auch gleich zu essen an. »Von wo kommst du?« fragte er, neugierig wie Kinder sind.
    »Aus der Türkei.« »Oh, da war mein Vater auch.« »Ist er zu Hause?«
    »Nein, er lebt nicht mehr. Ist in der Schlacht bei Warna gefallen.«
    »Und die Frau – war das nicht deine Mutter?« »Doch. Sie hat wieder geheiratet. Ich hab auch zwei Schwestern. Und jetzt ist der Kleine geboren. Der Miklós. Der soll den Hof bekommen.«
    »Wieso nicht du?«
    »Ich gehe doch in die Lateinschule. In Temeswar. Das hat mein Vater so bestimmt.«
    Wieder rief Margit: »Gyurka!« Und der Junge, der schon zwei Schritte zurückgelaufen war, fingerte in seiner Hosentasche, nahm einen Kupferkreuzer heraus, kehrte um, sagte: »Da. Weil du aus der Türkei kommst.« Und ich sah ihm nach, bis sich die Haustür hinter ihm geschlossen hatte.
    Wiedergutmachen! Wie anders hatte ich mir das vorgestellt. Nun aber gab es nur eines: Niemals durfte diese Frau, durfte jemand hier erfahren, dass ich am Leben war. Denn das würde für sie nichts anderes bedeuten, als dass ihre zweite Ehe ungültig und sie eine Bigamistin war. Und ihre drei Kinder zu Bankerten gestempelt wurden. Damit aber hätte ich erst das Maß meiner Schuld vollgemacht. Wie gut, dass ich mich noch niemandem zu erkennen gegeben hatte, niemand auch in diesem armseligen Aufzug, in dem ich daherkam, den ehemaligen Hausherrn vermuten würde. Nun konnte ich mich entfernen und gehen, wohin mich meine Füße trugen.
    Aber sie trugen mich kaum noch. Am Wegrand ließ ich mich nieder, lehnte mich an den Stamm eines Apfelbaumes – war es nicht einer von jenen, die ich selber gepflanzt hatte? –und war zum Sterben müde.
    Die Straße war lebhaft befahren. Viele Wagen rollten an mir vorbei. Lange Zeit beachtete ich sie nicht. Aber dann dachte ich: Warum soll ich mich nicht einfach vom nächsten besten mitnehmen lassen, wohin immer er fährt? Wichtig ist nur, dass ich wegkomme von hier, fort, so weit wie möglich, und meine Füße tragen mich nicht mehr. So winkte ich einigen, aber sie fuhren vorüber – ich sah ihnen wohl zu schäbig aus. Endlich hielt einer. Keine Kutsche etwa, beileibe nicht, ein großer Leiterwagen war es, vollgepackt mit Stückgut aller Art, und ein Kutscher, der auf die Frage, wohin die Reise gehe, antwortete: »Nach Hermannstadt!« Hans Trautenberger! Wie hatte ich an den nicht gedacht!
    »Kannst du mich mitnehmen? Fahrgeld habe ich keines.« »Wenn du mir beim An- und Abspannen der Gäule und nachher beim Abladen helfen willst, warum nicht?«
    Hermannstadt. Die Pferde hatten Not, den

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