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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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»Dieses ist Doktor Gregorius, ein Studienfreund von mir aus Padua. Leider spricht er nicht deutsch, nur italienisch und lateinisch « (Das verdolmetschte er mir, denn ich hatte es wirklich nicht verstanden.)
    Ich sprang auf, trat ihr entgegen, sagte »Grüezi« und küsste ihr die Hand.
    »Nanu!« entfuhr es ihm, »wie kommst du zu diesem Wort?« »Ich bin ... drei Monat ... in Basel gsi ...«, stammelte ich mein Schweizerdeutsch zusammen. Da lachten wir beide. Nur die Frau lachte nicht. Sie musterte mich aus kühlen grauen Augen, in denen deutlich zu lesen war, dass ich ihren Vorstellungen von einem lateinischen Doktor durchaus nicht entsprach, zog auch die Hand, über die ich mich gebeugt hatte, mit einer Bewegung des Unmuts zurück und sagte etwas in ihrem Deutsch, das nun wieder ganz anders klang als das der Schweizer. Aus dem Ton, in dem ihr Mann ihr antwortete, schloss ich, dass er sie zurechtwies. Da verließ sie das Zimmer, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen »Du musst Nachsicht mit ihr haben«, sagte Hans, als sie gegangen war. »Sie ist noch sehr jung. Und niemals aus dieser Stadt herausgekommen. Auch ist es bei uns nicht üblich, den Frauen die Hand zu küssen.«
    »Verzeih, das habe ich nicht gewusst. Ich dachte, in Ungarn ... Aber ich kann sie verstehen. Sehe ich doch wirklich aus wie ein Landstreicher.« »Das wird sich bald geändert haben. Ich habe sie angewiesen, dir eines von meinen Kleidern zu bringen. Ich habe ihr auch gesagt, dass du unter Cesarini bei Warna mitgefochten hast und soeben aus türkischer Gefangenschaft entflohen bist.«
    So, nun spann auch er an dem Faden meiner Legenden. Eine Magd brachte die Kleider. Ich wusch mich und zog mich um. Dann kam sie mit Wein und einem Abendbrot. Die Frau ließ sich nicht mehr sehen.
    Es wurde ein langes Beisammensein an jenem Abend. Denn als ich mit meinem Bericht zu Ende war, fing Hans mit dem seinen an.
    Er sprach aber kaum von sich selbst, viel mehr von Hunyadi und den Türken. »Sie geben keine Ruhe. Und wir sind ihnen nicht gewachsen. Vor sechs Jahren ist Hunyadi auf dem Amselfeld geschlagen worden. Die Schlacht ging verloren, weil die Walachen uns im Stich ließen und zu den Türken überliefen. Nun ist Murad zwar tot, aber sein Sohn Muhammad nicht weniger vom Kriegsglück begünstigt. Schon hat er Konstantinopel erobert, und bald werden wir ihn im Lande haben, wenn nicht ein Wunder geschieht.« »Du hoffst, dass er an seiner Ostflanke beunruhigt und gezwungen werden könnte, sein Augenmerk von Europa abzuziehen? Oh, mein Lieber, diese Hoffnung musst du begraben. Das Reich Timurs ist zerfallen. Die Timuriden haben sich gegenseitig zerfleischt. Keiner ist mehr imstande, den Osmanen die Stirne zu bieten.«
    »Nun, wir sind auf alles gefasst. Unsre Mauern haben wir verstärkt, die Türme mit Hakenbüchsen ausgerüstet, ein Pulverturm ist noch hinzugekommen.«
    Und dann, nach meiner Hand fassend: »Bleib bei uns, Gyurka, wir brauchen jeden Mann, und gerade einen wie dich. Winke nicht ab, ich weiß, was du denkst, aber es stimmt nicht. Ich habe meinen Einfluss in dieser Stadt, bin Rechtsberater bei der Nations-Universität – nein, das ist keine Hohe Schule, ist die Universitas der sächsischen Nation, also das höchste Gremium im Sachsenland. Und ich bin die rechte Hand des Comes sozusagen. Da werde ich doch, wenn ich mich für dich einsetze, es noch erreichen können, dass du das Bürgerrecht bei uns erhältst – auch ohne Papiere, auf mein Zeugnis hin.«
    Ich machte eine abwehrende Handbewegung, aber er ließ mich nicht zu Wort kommen. »Antworte mir nicht«, sagte er, »du bist übernächtigt, erregt, in einem Zustand, in dem man keine Entschlüsse fassen soll. Wir wollen schlafen gehn. Morgen, wenn die Sonne scheint, hat alles ein anderes Gesicht.«
    Am nächsten Tag lernte ich seine Kinder kennen: Lutz, den Sohn seiner ersten Frau, Hedwig, die Tochter der zweiten. Beide Mütter waren ihren Kindern weggestorben. (Also hatte auch Hans seine Bürde zu tragen gehabt.) Mit Lutz konnte ich mich verständigen, lernte er doch schon im fünften Jahre Latein. Er zeigte mir auch voll Stolz seine Vaterstadt, in der es von Leben wimmelte: Bauernfuhrwerke, die die Stadt mit Kraut und Rüben, Korn und Wein versorgten, Federvieh, Hunde, Katzen, ja Schweine, die sich zwischen den Fußgängern tummelten, Stadtvolk, das sich mit Bauervolk mischte: Wochenmarkt – jeder Stand an seiner Tracht zu erkennen. Man grüßte mich, obwohl ich fremd war, denn

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