Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
Eierkorb auf dem Rücken.«
Als ich das meinem Vater erzählte, sagte er zu Abbas Vater: »Wir müssen unsern Söhnen ein paar Araberkinder zu Spielgefährten geben, dann werden sie die Sprache auch im Spielen lernen.«
»Araberkinder?« fuhr Ben Nisam auf. »Niemals!« Achmad Ben Nisam war der Sohn eines reichen persischen Seidenhändlers, und sein Vater hatte ihm ein großes Vermögen hinterlassen: ein schönes Haus innerhalb der Stadtmauern, Gärten und Felder am Fuße des Kohik-Hügels, die sich bis zu den Ufern des gleichnamigen Flusses hinzogen und leicht bewässert werden konnten. (Stehen doch die Schöpfräder dieses Flusses nicht still, sodass seine Wasser den Aralsee niemals erreichen, ja bei niedrigem Stand manchmal nicht einmal Buchara. Aber Samarkand leidet auch in den trockensten Zeiten keinen Wassermangel.) Auch einige Mühlen besaß Ben Nisam und Truhen voll mit Edelmetallen und wertvollen Geräten. Auf die Einnahmen seines Amtes war er also nicht angewiesen, aber es schmeichelte seiner Eitelkeit, eine angesehene Stelle bei Hof zu bekleiden. (Oberster Aufseher aller Reit- und Jagdtiere war er, und viel Geld ging durch seine Hand.)
Doch mit all diesen Schätzen hatte der alte Nisam seinem Sohn Achmad noch eine andere Erbschaft hinterlassen: seinen Hass und seine Verachtung für die Araber. Denn die Perser halten sich für ein viel älteres Kulturvolk, und die Araber sind für sie nur fremde Eindringlinge, deren Religion sie zwar notgedrungen angenommen haben, denen sie sich aber in Gesittung und Bildung turmhoch überlegen fühlen. Den Mongolen und den türkisch-tatarischen Völkern natürlich ebenfalls, aber diese haben in ihren Augen wenigstens das Verdienst, die Araber wieder aus dem Lande gedrängt zu haben, und außerdem sind sie jetzt die Mächtigen! O des Hasses und der Verachtung, der Verkennung und Verunglimpfung hin und her! – Ich hatte Freunde unter Persern wie unter Arabern, unter Tschagataiern wie unter Osmanen, unter Georgiern wie später unter Ungarn, Deutschen und Italienern und habe das niemals verstehen können.
Und die Folgen dieser Abneigung der Perser gegen die Araber bekam Ben Nisam dann auch bald zu spüren. Denn mein Vater ließ sich nicht abhalten, mir einige arabische Spielkameraden zu verschaffen, durfte es sich freilich nicht erlauben, Abbas und seinen Vettern diesen Umgang ebenfalls zu ermöglichen, sodass ich die Perser im Unterricht alle sehr bald überflügelte.
Ben Nisam war ein Genießer. Er hielt gerne Festgelage ab, lud dazu Sänger und Dichter ein, und mein Vater, der oft mithalten musste, weil sein Gönner seine Unterhaltung schätzte, erzählte uns, wie es dort zuging. Verse wurden vorgetragen, Lieder zum Saitenspiel gesungen, und der Hausherr konnte Tränen der Rührung darüber vergießen. Auch das Spiel liebte er. Weniger das Schachspiel als das Nerd. Als man ihn nach dem Warum befragte, antwortete er: »Wenn ich im Nerd verliere, sagt man, Allah habe mir kein Glück beschieden – verliere ich aber im Schach, heißt es: ›Allah gab ihm keinen Verstand‹«
Er trauerte auch niemals einem Verluste nach, im Gegenteil, es schmeichelte ihm, wenn er kaltblütig eine große Summe auf den Tisch werfen und sagen konnte: »Da habt ihr!« und man ihm bewundernd zulächelte.
So hatten seine Zechgesellen, und auch mein Vater, keine Vorstellung davon, wie es im Innern seines Hauses zuging. Einmal, als ich nach dem Unterricht mit Abbas noch im Garten spielte, hörte ich Schreie und fragte erschrocken: »Was ist das?«
»Ach«, Abbas machte eine geringschätzige Handbewegung, »mein Vater prügelt einen Sklaven«. Es schien ihn gar nicht zu berühren.
Ein andermal aber, bei einer ähnlichen Gelegenheit, sah ich Tränen in seine Augen springen, und als ich ihn fragte, sagte er: »Es ist die Stimme meiner Mutter.«
Erschrocken legte ich ihm die Hand auf die Schulter. »Deiner Mutter? Ja, schlägt denn dein Vater ...«
Er fiel mir ins Wort. »Deiner wohl nicht?«
»Nie!« sagte ich aus voller Brust. »Warum sollte er?«
»Ist sie seine Lieblingsfrau?«
Ich konnte nicht antworten. Diese Frage lag jenseits meines Verständnisses.
»Meine Mutter«, sagte Abbas bitter, »ist nicht meines Vaters Lieblingsfrau. Das ist Amina. Und ich bin nicht sein Lieblingssohn! Das ist Hussejn, Aminas Kind.«
Das also war Achmad Ben Nisam: Unterwürfig gegenüber seinen Vorgesetzten, höflich und freigebig gegenüber seinen Freunden, herablassend gegen diejenigen seiner
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