Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
Erzengel Michael auf dem Bild in unserer Kirche in Szamosfalva?«, da dachte ich, ein Dschinn wäre gekommen, um mir die Sinne zu verwirren.
Der Vater merkte es und sprang lachend herzu. »Ildikó, Mädel, bist du schön — so schön war nicht einmal deine Mutter!« Und er küsste sie auf den Mund. Alle lachten sie vergnügt, sogar die Trézsi-Néni, aber als ich sie ansah, fiel mir ein türkisches Sprichwort ein: Hüte dich vor Augen, die nicht lachen, wenn der Mund lacht. Denn ihre Augen blickten böse.
Über die Trézsi-Néni will ich nur soviel sagen: Sie war um zwölf Jahre jünger als ihr Bruder und früh verwitwet. Ihr Mann, der Gutsherr von Szamosfalva, war vermögend gewesen, und ihre einzige Tochter, Särika, eine Schönheit, für die sich, als sie heranwuchs, viele Freier einfanden. Man kann sich daher vorstellen, wie entsetzt die Mutter war, als die Tochter alle reichen Heiraten, die sich ihr anboten, ausschlug und ihre Liebe an Stanislaus Budschinski verschwendete, einen jungen Polen, der ihr nichts anderes zu bieten hatte als eine blendende Erscheinung, einen witzsprühenden Geist und ein leidenschaftliches Herz. Auch mein Großvater, Sárikas Vormund, war gegen diese Heirat, doch die jungen Leute erzwangen sich seine Einwilligung auf dem in solchen Fällen landläufigen Weg: Sie zeugten ein Kind.
Nun also, um die Schande der Familie nicht offenkundig werden zu lassen, wurde die Hochzeit Hals über Kopf gefeiert, und Ildikó erhielt den Namen ihres Vaters. Und es gab wohl auch einige Jahre des Glücks für Sárika und ihren liebenswürdigen, leichtlebigen Mann, der im Ballsaal und auf dem Pferderücken eine gleich gute Figur zu machen verstand. Besuche auf allen Gütern ringsum, Einladungen von Gästen aus aller Welt. Das Beste gerade gut genug, ihnen vorgesetzt zu werden, die teuersten Schmuckstücke noch lange nicht zu teuer, um Saris Schönheit herauszustreichen. Doch dann kam es, wie es kommen musste: Das Gut wurde heruntergewirtschaftet, das Vermögen schmolz dahin, und bald wusste man nicht, wie die Schulden bezahlen.
Stanislaus Budschinski war kein schlechter Mensch. Als er das Unglück kommen sah, beschloss er, ihm auf seine Art entgegenzutreten: Er suchte Kriegsdienste und fand sie in Frankreich, wo sich der Graf von Armagnac des Dauphins gegen dessen eigene Mutter und den Grafen von Burgund angenommen hatte und der Kampf um Geltung und Macht in seine erbitterste Phase getreten war.
Als Stanislaus Budschinski Ungarn verließ, in der Hoffnung, sich auszuzeichnen und mit Beute und Lohn beladen bald wiederzukehren, war Ildikó zwölf Jahre alt. Und als bald darauf Sári starb, das Gut verkauft werden musste und die Großmutter mit der verwaisten Enkelin (denn vom Vater hörten sie nie wieder etwas) bei ihrem Bruder Zuflucht suchte, waren sie bettelarm.
Der Bruder war unterdessen ebenfalls verwitwet und konnte eine weibliche Hand, die bei den Mägden die Zügel zu führen wusste, sehr wohl gebrauchen. Und die Trézsi-Néni versuchte nach Art verbitterter Menschen mit Spät-zu-Bett und Früh-auf-den-Beinen und Die-Augen-überall-Haben dem Schlendrian, der in Kövár eingerissen war, ein Ende zu bereiten. Ihr Bruder ließ sie gewähren. Er war froh, wenn er seiner Jagdleidenschaft frönen konnte und sich um nichts anderes zu kümmern brauchte.
Nun hatte Trézsi-Néni aber keine andere Sorge, als die Enkeltochter vor dem Schicksal ihrer Mutter zu bewahren. Sie hütete sie also wie ihren Augapfel. Am liebsten hätte sie eine Nonne aus ihr gemacht, aber selbst dazu reichte das Geld nicht aus. Zwar entließ die Tante den diebischen Verwalter und nahm alles selbst in die Hand – aber was versteht schon eine Frau davon? Die Ställe verfielen, die Pferde standen um, die Hörigen wurden immer nachlässiger im Abliefern ihres Zinses an Korn und Wein und die Enkelin immer älter, ohne dass sich für die Mittellose ein Freier einstellte. Vierundzwanzig Jahre alt musste die schöne Ildikó werden, bis sich ein Mann fand, der sie heiraten wollte. Und das war kurz vor unserer Ankunft in Kövár.
Da der alte Köváry Lörinc einen Schlaganfall erlitten hatte und die Erbschaft des Gutes nun bald auf seine Schwester und deren Enkelin fallen musste, besann sich der Oházy Kálmán, dass seine Äcker an die ihren grenzten und er bald auf dem Nachbargut Ordnung schaffen könne, wenn die Weiberwirtschaft dort ein Ende nähme. Er war ein Szekler, aus diesem freien Bauernvolk, dem auch die Köváry entstammen,
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