Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
hatte seinen Landbesitz schon durch die erste Heirat beträchtlich vermehrt und würde nun, da seine Frau im Kindbett gestorben war und auch den Kleinen mit sich ins Grab genommen hatte, als Gatte der Budschinski Ildi über ein ganz schönes Vermögen verfügen.
Die Großmutter, froh, das Mädchen endlich unter die Haube zu bringen, setzte die Hochzeit auf den Herbst fest. Ildikó selbst wurde kaum gefragt – selbstverständlich war es allen, dass sie sich bereitfand.
Das war die Familienlage, die wir vorfanden, als wir so gänzlich unerwartet auf den Plan traten und damit offenkundig wurde, dass die Erben eingetroffen waren, denen das gesamte Vermögen rechtens zufallen musste, sobald der alte Köváry die Augen geschlossen hatte. Kein Wunder also, dass uns die Trézsi-Néni nicht mit offenen Armen empfing.
Sie hatte auch bald die erste Auseinandersetzung mit meinem Vater. Denn als sich die Kunde verbreitet hatte, dass der lang vermisste, Totgeglaubte aus weiter Ferne zurückgekehrt war, stellten sich von allen Gütern rundum die Nachbarn zur Begrüßung ein, und mein Vater ließ auftischen, was gut und teuer ist. Trézsi-Néni wandte sich jammernd an ihren Bruder: »Das Brot wird nicht reichen bis zur Ernte, und das Kalb, das István hat schlachten lassen, wollte, ich großziehen …«, doch mein Vater schnitt ihr das Wort ab.
»Denkt ihr, ich bin als Bettler nach Hause gekommen? Kann nicht kaufen, was benötigt wird, um alle meine Gäste freizuhalten, bis wir die nächste Ernte einfahren?« Und das Gesinde spürte, dass ein neuer Wind zu blasen begonnen hatte, es kümmerte sich wenig mehr um die Anordnungen der alten Frau, sondern hörte nur noch auf die des jungen Herrn, was die Tante in tiefster Seele erbitterte.
Einige Tage nach unserer Ankunft setzte sich mein Vater aufs Pferd und ritt mit mir die Grenzen des Gutes ab. »Hier, dieser Wald kann geschlagen werden. Hier, dieser Abhang mit Reben bepflanzt. Auch Melonen würden gedeihen, ich habe Samen mitgebracht – nicht von Samarkand freilich, mein Kind, da war keine Zeit, an so etwas zu denken, aber von Tus, die Kerne wurden dort am Markt ja in Mengen gehandelt.«
Wir hielten auf einem Hügel, der mit Birken bestanden war. Ihr schütteres Laub ließ den Durchblick frei auf den Himmel, über den kleine Wolken, weiß wie Baumwollflocken, träge dahinsegelten. Unten plätscherte ein Fluss. Kis Küküllö nennen ihn die Ungarn – die kleine Kokel. Sein Wasser war gelb vom Lehm, den er nach jedem Regen in großen Mengen aus den Bergen zu Tale schwemmt, und barfüßige Jungen wateten darin und suchten Muscheln, die man zuweilen dort findet. Es war der, nach dem sich mein Vater benannt hatte, als er in die Hände der Türken gefallen war.
»Und nun sieh dich um, mein Sohn. So weit das Auge reicht, gehört dieses Land uns, und wir können darin schalten und walten, ohne dass jemand uns etwas dreinzureden hat. Nach niemandem sich richten zu müssen als nach der Stimme in der eigenen Brust – Gyurka, meine Seele, weißt du, was das bedeutet?«
Ich fühlte meines Vaters Bewegung und konnte sie doch nicht ganz teilen. Wie blass dieser Himmel war! Und die Bäume, wie fremd! Wo waren die Zypressen, wo die Granatäpfel, wo die Aprikosen und Pfirsiche? Und das Leben in dieser so viel gerühmten Freiheit – woraus bestand es?
Mein Vater spürte mir den Kummer ab und war ganz betreten.
»Du wirst hier schon noch heimisch werden, mein Sohn«, sagte er, »wirst bald erkennen, dass es auf Erden kein größeres Glück gibt, als ein Ungar zu sein. Nicht dieser Rock macht dich dazu und auch nicht allein unsere süße Muttersprache, die du in kurzem völlig beherrschen wirst, nein, die Denkungsart: ein Wohlwollen, das man sich selbst und den andern erzeigt. Eine Freimütigkeit, der es leichtfällt, sich hinzugeben in Freundschaft und Liebe, wie auch, Liebe und Freundschaft entgegenzunehmen. Nun, du wirst das alles erfahren. Ich werde dich einführen auf den Höfen rundum. Du wirst deine Altersgenossen kennenlernen, wirst mit ihnen singen und trinken, mit ihnen zur Jagd gehn und dir in wenigen Jahren unter den Schwestern deiner Freunde die schönste zur Frau suchen.«
»Und die Trézsi-Néni«, fragte ich, nicht so ganz überzeugt von diesem Bild des allgemeinen Wohlwollens, das er entworfen hatte, »ist sie nicht auch eine Ungarin?«
»Sie ist eine arme unglückliche Frau, die ihr Vermögen und ihre Tochter verloren hat und nun um das Glück ihrer Enkelin zittert. Ich
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