Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
wieder!‹
Siehst du, Gyurka, darum mache ich mir auch jetzt keine Sorgen. Ich weiß, die Leute tuscheln schon, dass der Kálmán mich nicht mehr besucht, seit ihr gekommen seid. Aber was geht mich der Kálmán an? Er hat schon eine Glatze, und ich mag ihn gar nicht sehr leiden und heirate ihn nur, weil die Großmutter es will. Aber wenn mein Vater zurückkommt, wird er mich ihm wegnehmen und mich mit dem Erzengel Michael vermählen oder mit dem, der ihm ähnlich sieht.«
Der Erzengel Michael? Hatte sie nicht mich mit ihm verglichen bei unserer ersten Begegnung? Ein Taumel erfasste mich. »Ja«, rief ich lauter, als angemessen war, »er wird durch die Luft geflogen kommen auf dem Wundervogel Simurg, der am Berge Kaf horstet, und er wird ein Gewand anhaben, wie es die Könige des Morgenlandes tragen: einen schneeweißen Leibrock, weite, dunkelrote Hosen, einen azurblauen Umhang aus schwerer Seide, alles reich bestickt, aber nicht mit Wolle, die in Ochsenblut gefärbt wurde, sondern mit Silber- und Goldfäden. Und von dem Turban, den er um den Kopf geschlungen hat, werden Reiherfedern wippen, und Edelsteine, groß wie Taubeneier, werden funkeln in allen Farben.«
»Wie«, fragte sie und sah mich erstaunt an, »so etwas gibt es?«
»Nun freilich, ich hab's selbst gesehn! Ulug Beg trug sich so, der Herrscher von Samarkand.« »Oh, der müsste mein Mann werden!«
»Gut«, antwortete ich, und ich stieß die Worte heraus wie im Zorn, denn so war mir zumute, ich wusste selbst nicht warum, »morgen begleite ich dich hin. Den Weg kenne ich. ›Hier‹, werde ich sagen, ›ist die schönste Frau des Abendlandes. Ich bin viele tausend Meilen geritten, um sie meinem Herrn (den Allah segne mit den herrlichsten Gaben der Erde) darzubringen als Geschenk, da außer meinem Herrn kein Fürst der Erde wert ist, sie zu besitzen.‹ Und er wird antworten: ›O die Rosengesichtige, nach Ambra Duftende, Perlenzähnige, Muschellippige, Strahlenäugige – sie wird leuchten mit dem Sonnengeflecht ihres Hauptes vor meinen dunkelhaarigen Schönen wie das Tagesgestirn, vor dem Mond und Sterne verblassen! Willkommen sei sie in meinem Harem!‹ »
»Wie redest du? Und wovon sprichst du? Was ist ein Harem?«
»Ein Harem ist das Gemach, in dem die Männer des Morgenlandes, die Fürsten vor allem, ihre Frauen einsperren. Und ich führte eine Sprache, wie sie dort zu Hause ist.«
»Ihre Frauen, sagst du? Ja …«
»Ja, die Männer haben dort mehrere Frauen. Ulug Beg
sicherlich viere – denn soviel erlaubt ihm Muhammad. Und Sklavinnen dazu, wie viele er mag. Aber du würdest gewiss seine Lieblingsfrau werden, dir zuliebe würde er sogar eine andere verstoßen.«
»Du lügst ja, Gyurka! Das alles ist doch gar nicht wahr!« Sie fuhr mir plötzlich mit ihrer Rechten ins Haar und zauste mich. Und ich griff nach ihrer Hand, umspannte sie, zog sie herab und drückte so fest zu, dass ihr die Tränen in die Augen sprangen. »Lass los«, bat sie, und als ich meinen Griff lockerte, sagte sie leise: »Ich glaube, ich werde doch lieber den Kálmán heiraten.«
»Ja, ja, heirate ihn nur, diesen Glatzkopf«, antwortete ich und ging aus dem Zimmer.
Es kam aber nicht dazu. Denn als sich der Bräutigam mehrere Wochen lang nicht hatte sehen lassen, machte sich mein Vater zu ihm auf den Weg. »Ich muss diese Sache in Ordnung bringen«, sagte er, »so oder so – das bin ich unserer Ildikó schuldig.«
Und als er zurückkam, war er so wortkarg, wie ich ihn gar nicht kannte. War nicht zu bewegen, den Inhalt des Gespräches, das er mit dem Nachbarn geführt hatte, wiederzugeben.
Ich vermutete, dass er vor mir nicht sprechen wollte, und ging aus dem Zimmer – aber ich gebe zu, dass ich im Flur an der Tür stehenblieb und horchte und mich vor mir selbst schämte.
Als Trézsi-Néni mit ihm allein war, drang sie in ihn, doch er erwiderte bloß: »Der Kálmán ist kein Ehrenmann – kein Ungar – nicht wert, dass er eine Frau wie Ildikó bekommt!«
»Nicht wert, nicht wert«, ereiferte sich die Tante, »als ob sie zu Dutzenden herumliefen, die deine schöne Nichte … ach, István, wenn ihr nicht gekommen wäret, säße der Kálmán jetzt hier, und er wäre sie wert. Nun aber – nun ist sie ihm wohl nichts mehr wert! Ist es so? Sag es mir!«
»Es ist so.«
»Dann, mein Lieber, warum heiratest nicht du meine Ildi? Bist du sie auch nicht wert?«
»Tante!« Mein Vater sprang vom Stuhl, ich hörte, dass er mit großen Schritten auf und ab ging. »Ich bin doch
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