Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
dazugehörenden Leuten. Auf einem saß ein Pächter, das Zweite war von dem verstorbenen Herrn selbst mithilfe eines Verwalters bewirtschaftet worden. Ich heiratete Margit, die Tochter des Pächters (unter welchen Umständen, habe ich eingangs erwähnt), und als ihr Vater arbeitsunfähig wurde, nahm ich einen tüchtigen jungen Mann in meinen Dienst und kümmerte mich auch selbst um die beiden Güter, so gut ich es verstand.
Viele werden meinen, dass ich mit der Zeit heimisch werden und mich, wenn auch nicht glücklich, so doch zufrieden hätte fühlen können, um so mehr, als Margit mir zu angemessener Frist den ersten Sohn gebar.
Heimisch? Das Land war ganz flach. Wenn man auf einen der beiden Kirchtürme stieg, konnte man nicht weniger als sechzehn Dörfer in der Runde abzählen, so weit drang der Blick, bis er sich in der Ferne verlor. Im Sommer sah die Erde gelb aus wie ein platt gewalzter Nudelteig, im Winter weiß wie ein ausgebreitetes Leichentuch. Und wenn die jährlichen Überschwemmungen zurückgegangen waren, stiegen aus den Sümpfen die Dünste und das Fieber.
Korn und Wein, Rinder und Pferde, Schafe und Schweine – des Federviehs nicht zu vergessen. Gewiss! Aber der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Wenn ich durch die wogenden Kornfelder ritt, war mir, als ob ein Meer über mir zusammenschlüge.
Gesellschaft? Ich suchte sie nicht. Auf die Güter ringsum wurde ich nicht eingeladen, und auch ich lud niemanden ein. Wohl hatte ich ab und zu in der Stadt zu tun, aber ich merkte bald, dass die »besseren Leute« auch dort nur das Notwendigste mit mir sprachen. So war ich ganz auf den Umgang mit meinen Dörflern angewiesen, mit denen ich mich allerdings besser stand als die meisten Herrschaften. Denn ich hatte ein Ohr für ihre Sorgen, und wenn einer von ihnen krank wurde, nahm ich mich seiner an. Das trug mir nun allerdings Spott ein (»Der will ein Herr sein und zieht alten Weibern die Wackelzähne aus?«). Doch darum kümmerte ich mich nicht, denn die Anhänglichkeit, die ich mir gewann, zählte mir mehr. Ich weiß, dass es manchen gab, der für mich durchs Feuer gegangen wäre – aber worüber konnte ich schon mit ihnen sprechen?
Und worüber mit Margit?
Sie war eine gute Frau und ständig um mich herum. Doch immer lag sie mir jammernd in den Ohren. Sie sorgte sich wegen alles Möglichen: wenn es nicht zurzeit regnete, nicht zurzeit die Sonne schien, die Kühe sich mit dem Kalben verspäteten oder verfrühten, der kleine Gyurka beim Zahnen zu viel weinte. Am meisten aber sorgte sie sich um mich: wenn ich keinen rechten Hunger hatte, wortkarg war, nicht zur angegebenen Zeit von einem Ausritt zurückkam, mich Wind und Wetter aussetzte und was weiß ich, was noch alles sie sich an Gefahren einbildete, die mir drohen könnten. Und sie hatte Angst vor den Türken, Angst vor dem Hochwasser, Angst vor Dieben und Räubern und am meisten Angst vor mir. Wenn ich unwirsch war, sie anfuhr, zuckte sie zusammen und duckte sich wie ein verprügelter Hund – und dabei habe ich nie die Hand gegen sie gehoben. Doch als ich einmal zufällig ein Gespräch mit anhörte, das sie mit ihrer alten Magd führte, die seit ihren Kindertagen auf dem Hof diente und ihr besonderes Vertrauen genoss, überkam mich eine Hilflosigkeit sondergleichen. Denn sie beklagte sich über mich und sagte: »Mein Mann liebt mich nicht – er schlägt mich nicht.« Oh, was sollte ich mit ihr anfangen? Ich ging ihr aus dem Wege, weil ich ihre Jammerlitaneien nicht ertrug, und schalt mich selber, dass ich sie nicht ertrug, statt dankbar zu sein, dass ich einen Menschen hatte, der sich um mich sorgte.
Der einzige Gesprächspartner, der mir mehr und mehr Genüge leistete, war Szabö Andras, mein junger Gehilfe. Denn wenn er auch nicht allzu viel Bildung besaß, war er doch klug und aufnahmefähig, sodass ich ihn mir heranziehen konnte. Er war ein frühverwaister und frühreifer Mensch, der sich mit allerlei Verrichtungen durchs Leben geschlagen hatte, bis ich ihn in einem Einkehrhaus kennenlernte. Er fiel mir auf durch seine äußere Erscheinung: hochgewachsen, kräftig, die derben Gesichtszüge durch den Ausdruck von Gutmütigkeit und Intelligenz verschönt – und er nahm mein Angebot gerne an. Ich lehrte ihn rechnen und schreiben und konnte ihm bald meine Buchführung anvertrauen, ich nahm ihn aber auch zu den Kranken mit und freute mich seiner Wissbegierde und seiner Anstelligkeit. Es wäre nicht schwer gewesen, ihm auch Latein beizubringen
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