Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
Chronist jemals berichten.
Auch in dem Bürgerkrieg, der auf den viel zu frühen Tod unseres Königs Albrecht folgte, blieb ich Feldscher in Hunyadis Söldnerheer. Doch als das Blutvergießen endlich vorbei und der Polenkönig Wladislaw auch in Ungarn als König anerkannt war, betraute mich Hunyadi János mit einer andern Aufgabe: Er schickte mich als seinen Kontrollbeamten in die Bergwerke, die ihm der König unterstellt hatte.
Das hatte zwar weder mit meinen ärztlichen Fähigkeiten zu tun noch mit meinen Sprachkenntnissen, doch war er – und das gerade durch die gemeinsame Lektüre des Julius Cäsar und die Gespräche, die sich daran geknüpft hatten – zu der Einsicht gelangt, dass ich ein Mann sei, der ein solches Amt nicht missbrauchen würde.
Einerseits ehrte mich das. Andererseits, ich muss es sagen, war mir doch nicht so ganz wohl zumute, weil ich die großen Misshelligkeiten voraussah, die mich erwarteten. Denn natürlich waren Unregelmäßigkeiten, ja Unredlichkeiten vorgekommen, und ich hatte nur eine Wahl: mir Feinde zu machen oder durch die Finger zu sehn.
Als ich in dem Bergwerksdistrikt ankam, erlebte ich, was ich nie vorher erlebt hatte: Man bewarb sich um meine Gunst. Ich wurde auf die umliegenden Güter eingeladen, zu Jagden und Trinkgelagen, und da ich mir nicht von vornherein alle Sympathien verscherzen wollte, nahm ich an. Doch ich will es nicht leugnen, auch weil ich Gefallen daran fand. Und ich fand Gefallen vor allem Etelkas wegen.
Wie sie zu Pferde saß! Nicht im Damensattel, sondern völlig ungezwungen wie ein Mann lenkte sie ihre schöne Schimmelstute mit kaum merklichen Bewegungen und trabte so leicht dahin, als wäre sie mit ihrem Renner verwachsen. Als ich sie zum ersten Mal sah, erwachte die Erinnerung an all die Reiterspiele, die ich in meiner Kindheit gelernt hatte, und obwohl ich mein Pferd erst kürzlich gekauft und noch gar nicht abgerichtet hatte, wagte ich es doch, mich mit beiden Füßen auf seinen Rücken zu schnellen und, aufrecht stehend, an der Reiterin vorüberzutraben, sie mit einer artigen Verneigung grüßend.
Ich will nicht viele Worte machen: Wir fanden Gefallen aneinander, und keiner konnte es vor dem andern verbergen. Die Ildikó hatte ich mir aus dem Herzen gerissen, die Giulietta war wie hinter einem Nebelschleier, der sich dichter und dichter um ihre liebliche Gestalt geschlungen hatte, aus meinen Gedanken und schließlich sogar aus meinen Träumen verschwunden, hier aber unterlag ich einer Macht, die mich alle Besonnenheit, alle Vorsicht, alle Vernunft außer Acht zu lassen zwang. Die Araber drücken das drastisch aus. Sie sagen: »Er ist verrückt wie ein hungriger Esel, der Korn sieht.«
Und Etelka entzog sich mir nicht. Wir trafen uns heimlich, sooft wir konnten.
Doch wo Feuer ist, da gibt es auch Rauch. Sie war die Tochter eines Grafen Losonczi, eines entfernten Verwandten des Woiwoden von Siebenbürgen. Zwar weder so schön wie Ildikó noch so lieblich wie Giulietta, hatte sie doch etwas, was die Männer noch mehr anzieht als ein glattes Gesicht: dieses Funkenschlagen aus dem Zusammenprall von Geist und Leidenschaft. So war sie von Freiern umringt. Doch verstand sie das Spiel des Lockens und gleichzeitigen Fernhaltens meisterlich: Keiner konnte sich rühmen, von ihr bevorzugt zu sein. Vielmehr machte sie sich lustig über alle. Bis auch in sie der Blitz einschlug.
Sie war es, die mir zuerst ein Stelldichein antrug. Niemals hätte ich mir das angemaßt. Doch als ich sie in den Armen hielt, fragte ich nicht mehr, ob es ein gutes oder schlechtes Ende nehmen würde.
Ihr Vater hatte sie einem Garai zugedacht, sie erzählte es mir lachend. »Dem Laci, denk dir, der so dumm ist, dass er sich auf seine Dummheit noch weiß Gott was einbildet!« »Und ich«, erwiderte ich lachend, indem ich sie an mich zog, »bin wohl so gescheit, dass ich es mir leisten kann, eine Dummheit zu begehen?«
»O ja, Prinz Tausendschön – das können wir uns beide leisten!«
Doch dann wurde sie ernst. »Du musst dich deinem Herrn anvertrauen, er ist reich und mächtig, und er weiß, was er an dir hat. Er kann dir ein Gut zu Lehen geben, dich adeln. Musst du ein Studierter sein, musst du Covarus heißen? Kannst du deinen Namen nicht magyrisieren, dich, sagen wir, Köváry nennen? Dann könnte es doch sein, dass ich meinen Vater … Was hast du? Warum starrst du mich so an? Spielst du nur mit mir? Willst du mich gar nicht?«
Sie brauchte sich nicht von mir loszureißen,
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