Schatten ueber Broughton House
herunter. Ein Blick zur Uhr auf der Anrichte verriet ihr, dass es fast schon Zeit für das Mittagessen war. Sie errötete, als sie sich daran erinnerte, weshalb sie so lange geschlafen hatte - sie und Theo waren erst im Morgengrauen durch die Hintertür zurück ins Haus geschlichen.
Im Frühstückszimmer traf sie denn auch nur noch Theo an, der sich mit einem Lächeln erhob, als sie eintrat. Seine Augen strahlten.
„Guten Morgen“, sagte er und rückte ihr den Stuhl zurecht. Dabei beugte er sich zu ihr hinab und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich sitze bereits den ganzen Vormittag über hier und trinke Kaffee, sodass die Bediensteten schon an meinem Verstand zu zweifeln begannen - doch ich hatte gehofft, du würdest noch kommen.“
Megan lächelte beglückt und warf dem armen Diener einen kurzen Blick zu, der geduldig bei der Anrichte ausharrte, um ihr Tee zu servieren.
Theo nahm Megan gegenüber Platz. „Ich habe den Zwillingen gesagt, sie sollen ihre Aufgaben heute allein machen“, fuhr er fort. „Wir haben zu viel vor, als dass du Zeit hättest, die beiden zu unterrichten.“
Megan nickte und trank einen Schluck Tee. „Wir müssen uns mit Mr. Coffey unterhalten.“
„Und wir sollten uns unbedingt den Keller im Museum etwas genauer ansehen.“
„Ja.“ Megan stand auf, sah in die warm gehaltenen Schüsseln auf der Anrichte und nahm sich, worauf sie Appetit hatte. Als sie mit ihrem Teller an den Tisch zurückkehrte, fuhr sie fort: „Und das Beste von allem - wir werden Lady Scarle ein paar Fragen stellen müssen.“
Theo schmunzelte belustigt. „Dachte ich es mir doch, dass das für dich der Höhepunkt des heutigen Tages sein würde.“ „So ist es.“ Megan nickte und ließ sich das vorzügliche Rührei schmecken.
„Womit sollen wir anfangen?“, fragte Theo.
Während Megan aß, besprachen sie, wie sie vorgehen wollten. Sie waren jedoch noch zu keiner Entscheidung gelangt, als plötzlich ein weiterer Diener in der Tür erschien.
„Mylord?“
Theo wandte sich zu ihm um. Etwas in der Stimme des Dieners ließ ihn aufhorchen.
„Draußen wartet eine Person, die behauptet, Sie zu kennen“, sagte der Hausdiener mit sorgfältig gewählten Worten.
Selbst Megan, die mit den Feinheiten im Benehmen englischer Bediensteter nicht allzu vertraut war, entging nicht der missbilligende Unterton. Wer auch immer dort draußen warten mochte, es war offensichtlich niemand, von dem der Diener glaubte, dass er hierher gehöre oder mit Lord Raine sprechen solle. „Wer ist es?“
„Ich weiß es nicht, Sir, denn er wollte mir seinen Namen nicht sagen. Nur mit Ihnen persönlich will er sprechen. Er ist... nun ja, recht seltsam gekleidet.“
„Ah ja? Nun machen Sie es aber ganz spannend, Robert. Bringen Sie ihn herein.“
„Mylord ..." Dem Diener stand seine Verwirrung deutlich ins Gesicht geschrieben.
Theo meinte nachsichtig: „Vielleicht sollte ich kurz hinausgehen, um mit ihm zu sprechen.“
Robert schien erleichtert. „Das halte ich für das Beste, Sir.“
Theo schaute Megan fragend an und lächelte. „Magst du mitkommen?“
„Nichts könnte mich jetzt noch zurückhalten“, versicherte ihm Megan und stand auf.
Sie folgten Roberts gestrengem Rücken in die Eingangshalle, wo ein Mann und ein Junge warteten. Zwei Lakaien ließen die beiden nicht aus den Augen und betrachteten sie so argwöhnisch, als wollten die ungebetenen Gäste sich mit einigen der Möbelstücke aus dem Staub machen.
Die beiden Besucher boten in der Tat einen ungewöhnlichen Anblick. An ihren bloßen Füßen trugen sie Sandalen mit langen Lederriemen, die sie sich um die Waden bis hinauf zu den Knien gewickelt hatten. Bekleidet waren sie mit einfachen ärmellosen Gewändern, grob gewebt in Braun und leuchtendem Orange, deren Fransen ebenfalls bis zu den Knien reichten. Um einen seiner kräftigen Oberarme trug der Mann einen breiten Goldreif.
Der Junge mochte acht oder neun Jahre alt sein. Seine Haut war gebräunt, und seine großen Augen schimmerten in einem dunklen Schokoladenbraun. Sein Haar, das glänzend schwarz und ganz glatt war, reichte ihm bis zu den Schultern und war in der Stirn zu einem kurzen Pony geschnitten. Auch der Mann trug sein Haar lang, doch hatte er es auf dem Kopf mit einem ledernen Riemen zusammengebunden. Seine Haut war nicht so dunkel wie die des Jungen, und seine Augen waren von einem eher hellen Zimtbraun. Sein Haar schimmerte rötlich und lockte sich ein wenig. Vermutlich war er etwa zwanzig.
Der
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