Schatten ueber Broughton House
jüngere der beiden betrachtete Megan und Theo argwöhnisch. Der ältere jedoch lächelte, sobald er Theo erblickte.
„Hallo, Theo ...“, begann er, doch als sein Blick auf Megan fiel, verstummte er. „Megan?“, fragte er ungläubig.
Megan blieb wie angewurzelt stehen. Fassungslos schaute sie ihn an und brachte kein Wort über die Lippen.
„Ich werde verrückt!“, stieß Theo hervor. „Dennis? Bist du es wirklich?“
Der Mann lächelte. „Ja, ich bin es. Du meintest einmal... nun ja, du meintest, du würdest mir helfen, wann immer ich einmal Hilfe bräuchte. Und nun brauche ich deine Hilfe.“
„Dennis! “ Tränen schimmerten in Megans Augen, und auf einmal konnte sie sich aus ihrer Starre lösen. Mit einem großen Schritt war sie bei ihm und warf sich ihrem Bruder in die Arme. „Ich dachte, du seist tot!“
Der junge Mann schloss sie in seine Arme und drückte sie an sich. „Oh Megan, wie schön, dich wiederzusehen.“
Theo machte gleichfalls einen Schritt auf ihn zu und meinte: „Dann warst du es also, der sich gestern Abend in unserem Garten herumgetrieben hat!“
„Ja“, gestand Dennis reumütig. „Ich wollte dich sprechen, ohne dass jemand davon erfährt. Aber es ist offensichtlich nicht mehr gar so leicht, sich heimlich an dich heranzupirschen.“
Es folgten weitere Umarmungen, freudiges Händeschütteln und freundschaftliches Schulterklopfen sowie immer wieder ungläubige Ausrufe der Verwunderung. Die beiden Lakaien verfolgten das Spektakel mit sichtlichem Interesse.
„Aber ihr seid sicher hungrig nach der weiten Reise“, meinte Theo schließlich. „Wir saßen gerade noch beim Frühstück. Kommt herein.“
Zu viert kehrten sie zurück in das Frühstückszimmer. Megan hatte sich bei ihrem Bruder untergehakt, als wolle sie sichergehen, dass er sie nicht so bald wieder verlasse. Ihr Blick wanderte indes wieder und wieder zu dem Jungen hinüber, der sich gleichfalls dicht an Dennis hielt und Megan mit ernsten, unergründlichen Augen betrachtete.
Im Frühstückszimmer schickte Theo den Diener hinaus und schloss die Tür. Als sie allein waren, schwiegen sie plötzlich verlegen. Dann zupfte der Junge an Dennis’ Kittel und sagte etwas in einer Sprache, die Megan noch nie gehört hatte. Dennis antwortete ihm, legte dem Jungen seine Hand auf die Schulter und wandte sich schließlich an Megan und Theo.
„Entschuldigt bitte“, begann er ein wenig zögerlich. „Ich habe ganz vergessen ... ich möchte euch meinen Sohn Manco vorstellen. Manco, das ist mein Freund Theo. Und das ist meine Schwester - deine Tante Megan. Ich habe dir von beiden schon oft erzählt.“
„Es ist mir eine Ehre“, erwiderte der Junge sehr förmlich und etwas ungelenk. Er sprach mit einem leichten Akzent.
„Dein Sohn?“ Megan stiegen erneut Tränen in die Augen, als sie den Jungen anschaute, so gerührt war sie. „Oh!“ Sie blinzelte die Tränen fort und ging vor dem Kind in die Hocke. „Ich freue mich sehr, dich kennenzulernen, Manco!“
Sie wandte sich erneut an Dennis. „Ich ... ich kann das noch immer kaum begreifen. Dad und Deirdre werden außer sich sein vor Freude! “ Sie drehte sich zu Theo um und schaute dann abermals Dennis an. „Wir müssen zu ihnen, damit sie gleich davon erfahren! Oh, ich bin so durcheinander, dass ich kaum noch klar denken kann.“
„Dad ist hier? Und Deirdre auch?“ fragte Dennis. „Etwa auch Mary Margaret? Und Sean und Robert?“
„Die drei sind noch in New York. Nur Dad, Deirdre und ich sind nach England gekommen. Mary Margaret und Sean sind verheiratet. Oh, Dennis!“ Megan schlug die Hände vor das Gesicht. „Ich kann einfach nicht glauben, dass du lebst. Wir dachten, du seist vor zehn Jahren gestorben. All die Zeit..."
Tiefe Schuldgefühle standen ihrem Bruder ins Gesicht geschrieben. „Ich weiß. Es tut mir leid. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen. Doch ich begriff selbst kaum, was geschehen war. Manchmal machte ich mir Sorgen, ihr könntet mich für tot halten, und dann wollte ich euch eine Nachricht schicken, aber ... nun ja, es war nicht möglich.“
„Warum nicht?“, fragte Megan aufgebracht. Nun, da der erste Schock über das unerwartete Wiedersehen nachließ, wurde sie wütend. „Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie uns zumute war? Wir haben um dich getrauert!“ Sie stemmte die Hände in die Hüften und schaute ihren Bruder finster an. „Und dir ging es derweil ausgezeichnet. Quietschvergnügt warst du und hast unterdessen eine Familie
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