Schatten ueber Broughton House
eine Frau, die Megan nie zuvor gesehen hatte. Sie war von atemberaubender Schönheit, mit rabenschwarzem Haar und Augen von einem seltenen, fast schon lavendelfarbenen Blau. Ihre Haut war milchig weiß und ihre wohlgeformten Rundungen in ein elegantes violettes Nachmittagskleid gehüllt, dessen Ton die Farbe ihrer exotischen Augen noch betonte. Obwohl sie nicht mehr ganz jung war - sie mochte Mitte dreißig sein -, war sie eine der schönsten Frauen, die Megan je gesehen hatte.
Neben sich hörte Megan Theo leise stöhnen.
Ein Lächeln breitete sich über das Gesicht der schönen Besucherin, als sie Theo zunickte. „Lord Raine, welch wunderbare Überraschung, Sie hier anzutreffen.“
„ Nicht allzu überraschend, möchte ich meinen, da er ja schließlich hier zu Hause ist“, bemerkte die Duchess trocken.
Megan betrachtete die versammelten Morelands aufmerksam. Obwohl sie alle sichtlich um Höflichkeit bemüht waren, konnte sie doch eine gewisse Spannung spüren. Das interessierte Megan natürlich sehr.
„Lady Scarle“, grüßte Theo und verbeugte sich höflich. „Erlauben Sie mir, Ihnen Miss Henderson vorzustellen. Miss Henderson, Lady Helena Scarle.“
Die Dame bedachte Megan mit einem kühlen Nicken des Kopfes, wobei ihr Blick zugleich über Megans schlichtes braunes Kleid schweifte. „Sehr angenehm, Miss Henderson.“ Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Theo zu. „Wie nett von Ihnen, mit Ihren kleinen Brüdern ins Museum zu gehen.“
„Oh, das war Miss Hendersons Idee“, erwiderte Theo vergnügt. „Die drei haben mich nur geduldet.“
„So?“ Die violett-blauen Augen richteten sich abermals abschätzend auf Megan.
„Miss Henderson ist unsere neue Lehrerin“, erklärte Con. „Sie hat mit uns eine Exkursion gemacht.“ Er schaute Megan an und grinste verschwörerisch, als er den Ausdruck verwendete, den sie für ihren kleinen Ausflug benutzt hatte.
„Ah ja.“ Lady Scarles Miene entspannte sich, und sie beachtete Megan nicht länger, da sie ihr nicht weiter wichtig schien. „Sie müssen uns verraten, wo Sie waren, Lord Raine“, meinte sie, abermals an Theo gewandt und deutete einladend auf den Sessel, der neben ihr stand. „Setzen Sie sich, und erzählen Sie uns davon.“
„Oh, ich glaube, dass Con und Alex schon ganz vorzüglich Bericht erstattet haben“, zog Theo sich aus der Affäre und blieb stehen.
„So ist es“, meinte Kyria. „Erzähl bitte weiter, mein Lieber.“ Sie lächelte erst Con aufmunternd zu, dann auch Megan. „Setzen Sie sich doch, Miss Henderson.“ Sie deutete auf den leeren Sessel, der zwischen ihr und Lady Scarle stand. „Während des Tees wollen wir alles über die abenteuerliche Exkursion ins Museum erfahren.“
Kyrias Augen funkelten belustigt, besonders als sie in Lady Scarles Richtung blickte, die ziemlich ungehalten darüber schien, dass Kyria Megan den Theo zugedachten Platz angeboten hatte. Und da sie Lady Scarle nur zu gerne einen Dämpfer versetzen wollte, setzte Megan sich mit Freuden neben sie.
„Oh, ich danke Ihnen, Mrs. Mclntyre“, antwortete sie und lächelte Kyria fröhlich an.
„Es ist doch recht ungewöhnlich“, bemerkte Lady Scarle, „dass die Kinder und ihre Gouvernante den Tee gemeinsam mit der Familie nehmen.“
Ihre Worte brachten ihr empörte Blicke aller anwesenden Morelands ein. Falls Lady Scarle ein Auge auf Theo geworfen haben sollte, so hatte sie ihr Anliegen mit dieser Bemerkung nicht gerade vorangebracht, dachte Megan.
„Wir sind hier der Ansicht, dass man Kinder nicht aus dem Kreis der Familie ausschließen sollte“, ließ die Duchess ihre Besucherin kühl wissen. „Ich glaube, dass die Art und Weise, wie der Adel seit jeher Betreuung und Erziehung seiner Kinder anderen überlässt, eine sehr schlechte Methode ist und eine menschliche Kälte zur Folge hat, die sich nicht nur in den Familien zeigt, sondern in der gesamten Gesellschaft.“
„Du hast völlig recht, Mutter“, pflichtete Thisbe ihr bei und fügte an Lady Scarle gewandt hinzu: „Wir sind allesamt - angefangen bei Theo und mir - nach Mutters pädagogischen Prinzipien erzogen worden und sind ihr dafür sehr dankbar.“
„Ich wollte keineswegs Kritik an Ihnen üben, Euer Gnaden. Es erschien mir nur etwas überraschend, da ich selbst nach traditionellen Grundsätzen erzogen wurde.“ Lady Scarle war das Blut heiß in die Wangen geschossen, und sie tat Megan nun fast leid. Doch als sie gleich darauf Megan mit einem Blick kühler Verachtung
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