Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
ihre Brust. »Aber ich glaube, ich werde es dir trotzdem ausziehen.«
»Jetzt?« Ihr Herzschlag schien auszusetzen, als er mit dem Daumen leicht über ihre Brustwarzen strich. »Ich kann nicht mehr und du auch nicht.«
Er zog die Augenbrauen hoch, als er seinen Mund auf den ihren herabsenkte: »Wollen wir wetten?«
Sie hätte verloren. Und nicht nur ein Mal. Als es am Horizont zu dämmern begann, lag sie halb über ihm, vom letzten Sturm noch ganz erschöpft, zu betäubt, um zu schlafen.
»Ich muß gehen. Ich muß auf den Rennplatz.«
»Du mußt erst mal schlafen, und dann etwas essen. Danach gehen wir zur Rennbahn.«
»Können wir Kaffee bestellen?« Die Erschöpfung breitete sich langsam in ihrem ganzen Körper aus.
»Sicher. Aber erst später.« Er streichelte ihr Haar, ihren Rücken, aber nicht, um sie zu erregen, sondern um sie in den Schlaf zu lullen. »Jetzt ruh dich aus, Liebling.«
»Wie spät ist es?«
Nach einem Blick auf seine Uhr log er ohne Gewissensbisse: »Ungefähr vier«, obwohl es bereits auf sechs zuging.
»Okay. Nur einige Stunden.« Kelsey fühlte, wie sie federleicht wurde und in einem dunklen Tunnel dahintrieb. »Nur etwas ausruhen.«
Gabe drehte sie behutsam um, strich ihr das Haar aus dem Gesicht und deckte sie mit dem zerknitterten Laken zu. Ihr Gesicht war immer noch blaß, die Schatten unter ihren Augen wirkten wie die dunklen Stellen in edlem Marmor. Einige Minuten betrachtete er die schlafende Kelsey. Und während er das tat, verliebte er sich in sie.
Plötzlich empfand er ein merkwürdiges Unbehagen. Von atemberaubendem Sex, den man mit einer Frau haben konnte war es noch ein langer Weg bis zur Liebe.
Er hatte sie schon lange begehrt, und nun hatte er sie gewonnen. Aber das hieß noch lange nicht, daß er wußte, wie es weitergehen sollte. Kelsey brauchte ebenso dringend einen Freund wie einen Liebhaber, und da er beides für sie sein wollte, wäre es das beste, zuerst einmal ein Freund zu sein.
Gabe ging duschen. Als er ins Zimmer zurückkam, um sich anzuziehen, hatte sich Kelsey noch keinen Millimeter bewegt. Ohne sich weitere Gedanken über Kelseys Privatleben oder ihre Beziehung zu machen, ging er ins Wohnzimmer und öffnete ihre Handtasche. Darin fand er ihr Portemonnaie, ein Päckchen Taschentücher, einen ledergebundenen Terminkalender und zu seiner Belustigung einen Hufnagel. In einem kleinen Reißverschlußfach an
der Seite steckten ihr Schlüssel, ein Lippenstift, ein Fläschchen Parfüm – an dem er genüßlich schnupperte – und eine Zwanzigdollarnote. Lauter Dinge, die eine Frau wie Kelsey gern griffbereit hatte.
Er steckte ihren Zimmerschlüssel in seine eigene Tasche und verließ leise den Raum.
Zuerst ging er zu Naomis Zimmer. Moses öffnete bereits nach dem ersten Klopfen. Obwohl er angespannt und übermüdet aussah, streckte er Gabe die Hand hin und schenkte ihm ein von Herzen kommendes Lächeln. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, dir zu gratulieren. Dein Pferd ist wunderbar gelaufen.«
»Er hatte einen hochklassigen Konkurrenten. Aber auf diese Weise wollte ich wirklich nicht gewinnen.«
»Ich weiß.« Moses klopfte ihm auf die Schulter und ließ ihn eintreten. »Es ist für uns alle schwer, Gabe. Und seitdem wir wissen, wie es dazu gekommen ist, sogar noch schwerer.«
»Keine neuen Erkenntnisse, nehme ich an?«
»Die Ermittlungen laufen. Und Three Willows wird auf eigene Faust Untersuchungen anstellen.« In Moses’ zerfurchtem Gesicht leuchteten seine Augen hart auf: »Ich weiß nur, daß irgend jemand dieses Pferd töten wollte!«
»Wenn ich – oder sonstwer von Longshot – etwas tun kann, dann müßt ihr’s nur sagen. Ich bin genauso interessiert daran wie ihr, daß der Fall aufgeklärt wird. Gabe blickte zur Schlafzimmertür, die sich öffnete.
Naomi trat ins Zimmer, offensichtlich in Kampfstimmung. Verschwunden war die Aura von Zerbrechlichkeit, die sie gestern noch umgeben hatte. Sie trug ein dunkelviolettes Kostüm, das von all den Kleidern, die sie hierher mitgebracht hatte, einem Trauergewand am nächsten kam, und ihr Gesichtsausdruck zeigte eine grimmige Entschlossenheit.
Wie Gabe schon vermutet hatte: Sie war bereit, sich zu wehren.
»Ich bin so froh, daß du gekommen bist.« Sie ging auf ihn zu, umarmte ihn und schmiegte ihre Wange kurz an
die seine. »Es ist für uns beide hart.« Ohne die Hände von seinen Schultern zu nehmen, trat sie einen Schritt zurück. »Du wirst auch ins Gerede kommen, Gabe, und ich möchte,
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