Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
tragischen Umständen gewonnen hat, macht es für uns alle nur noch schwerer. Wir haben ihn dazugebeten, um ihm Rückendeckung zu geben, und deshalb hat er auch zugestimmt.«
»Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, Miß Byden, aber nach dem, was man so sieht, scheinen Sie und Mr. Slater mehr als bloße Freunde zu sein.«
Kelseys Erziehung zahlte sich aus, sie hob hochmütig den Kopf und setzte ein arrogantes Lächeln auf. »Ist das eine amtliche Feststellung, Lieutenant?«
»Nein, nur eine Beobachtung. Es erscheint mir ganz natürlich, zwei attraktive Menschen wie Sie, die viele gemeinsame Interessen haben . . .« Sie ließ sich nicht aus der Reserve locken, aber damit hatte er wohl auch nicht gerechnet. »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir detailliert schildern, was vorgefallen ist.«
»Ich dachte, Sie interessieren sich nicht für Pferde, Lieutenant?«
»Mord interessiert mich mehr, sogar der Mord an einem Pferd.« Er machte eine effektvolle Pause. »Besonders, wenn er mit einem anderen Fall der Mordkommission zusammenhängst, den ich endlich abschließen will.«
»Sie nehmen an, was Pride zugestoßen ist, hängt mit dem Mord an dem alten Mick zusammen? Wieso? Lipsky ist tot.«
»Genau. Wie ich hörte, ist es sehr schwer, in die Nähe eines Derbyteilnehmers zu kommen.«
»Das ist es. Die Sicherheitsvorkehrungen sind sehr streng. Überall stehen Wachposten.« Kelsey zog die Brauen zusammen. »Lipsky hatte es auf Gabes Pferd abgesehen, nicht auf unseres. Ich dachte, Lipskys Tod war Selbstmord. Sie glauben, es war Mord?«
»Wir haben noch Zweifel«, war alles, was Rossi dazu sagte. »Ich verknüpfe gern alle Fäden miteinander. Würden Sie mir sagen, wer offiziell Zugang zur Box des Hengstes hatte?«
»Ich natürlich, meine Mutter, Boggs, Reno.« Kelsey blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Der Prüfer von der Rennleitung, die Helfer an den Startboxen. Carl Tripper, der ihn zur Bahn eskortiert hat. Und die Teammitglieder.« Sie ratterte einige Namen herunter.
»Die Wachposten?«
»Die vermutlich auch.«
»Und inoffiziell?«
Kelsey zuckte mit den Achseln, ihre Gedanken überschlugen sich. »Man muß schon sehr gerissen sein, um am Tag des Derbys durch die Maschen des Sicherheitsnetzes zu schlüpfen, Lieutenant. Im Fernsehen mag ja alles wie ein einziges großes Gedränge aussehen, aber die Pferde werden sehr streng bewacht.«
»Schwer zu sagen, wann dem Pferd das Medikament verabreicht wurde.«
»Das ist ein Teil des Problems.« Kelsey atmete tief durch, denn es fiel ihr immer noch schwer, darüber zu reden. »In Prides Blut wurden Rückstände von Digitalin und Epinephrin gefunden, an denen er auch gestorben ist. Diese Medikamente haben sein Herz zu stark strapaziert. Er war hochgradig nervös, aber das war er vor jedem Rennen, dafür sorgte schon Moses.«
»Und warum?«
»Manche Pferde laufen unter Anspannung besser, manche müssen beruhigt werden. Pride lief am besten, wenn er etwas aufgeregt war. Das ist bei jedem Pferd anders.«
»Wieso?«
»Die Pferde wissen genau, wenn ein Rennen vor der Tür steht. Sie bekommen weniger Futter, es wird anders mit ihnen gearbeitet. Sie spüren es einfach. Oft muß man sie dann im Training zurückhalten, wenn sie rennen wollen.«
»Aber sie bekommen keine leistungssteigernden Medikamente?«
Kelseys Gesicht wurde ernst. »Nein, Lieutenant. Unsere Pferde bekommen nur bewährte Medikamente, und nur dann, wenn es unbedingt notwendig ist. Was Pride verabreicht wurde, hat seinen Herzschlag beschleunigt und seinen Adrenalinspiegel hochschnellen lassen. Und das Rennen, diese wahnsinnige Anstrengung über eine Strecke von einer Meile, hat ihn umgebracht.«
Genau das hatte auch die Autopsie des Pferdes ergeben. »Hätte der Jockey nicht bemerken müssen, daß etwas nicht stimmte?«
Kelsey biß die Zähne zusammen. Sie würde nicht zulassen, daß jemand Reno die Schuld gab, nicht nach allem, was er durchgemacht hatte. Sie hatte selbst gesehen, wie er litt – bis zum heutigen Tag.
»Pride rannte, weil er von klein auf darauf trainiert worden ist. Er war kein Zauderer, nicht bockig, und er hat auch nie gegen Reno angekämpft. Sie brauchen sich nur das Video vom Rennen anzusehen. Er hat alles gegeben, um zu gewinnen, und ist dabei gestorben. Reno hatte Glück, daß er nicht auch umgekommen ist.«
Rossi studierte seine Aufzeichnungen. Er hatte sich die Videoaufzeichnungen von dem Rennen immer wieder angesehen, in einzelnen Standbildern genau untersucht.
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