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Schatten ueber Hollywood

Schatten ueber Hollywood

Titel: Schatten ueber Hollywood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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darüber nachzudenken, und robbte auf dem Boden herum, bis er das Messer mit den gefesselten Händen fassen konnte, während die Kante der Stuhllehne ihm schmerzhaft den Arm abdrückte. Dann begann er die Fesseln loszuschneiden. Und endlich konnte er die Hände bewegen! Er stieß den Stuhl von sich weg, setzte sich auf und riss zuerst einmal die Augenbinde herunter, dann löste er seine Fußfesseln, massierte seinen schmerzenden Arm und sah sich in seinem Gefängnis um.
    Es war tatsächlich ein Kellerraum, vielleicht eine ehemalige Vorratskammer. Die Wände waren verputzt und ebenso kahl wie der Zementfußboden. Die einzige Tür war verschlossen, endete aber ein paar Zentimeter über dem Boden. Mondlicht fiel durch eine schmale Fensteröffnung knapp unter der Decke und das Fenster war engmaschig vergittert. Der Besitzer des Messers war verschwunden.
    Justus sah sich nach dem Zettel um, den er fallen gelassen hatte, und fand ihn auf dem Boden. Rasch hob er ihn auf, aber es war zu dunkel zum Lesen, und so steckte er ihn in die Tasche seiner Schlafanzughose.
    Es wurde Zeit, dass er verschwand, bevor der Entführer zurückkam. Justus ging zur Tür und untersuchte sie. Zu seiner Überraschung hatte sie nur ein einfaches Schloss, durch das er nicht hindurchsehen konnte. Der Schlüssel steckte!
    »Das ist dein zweiter Fehler«, murmelte Justus zufrieden. »Der erste war, mich auf ein Rätsel anzusetzen.«
    Er zog sein Pyjamaoberteil aus und schob den Ärmel durch den Spalt unter der Tür. Dann stocherte er mit dem Messer im Schlüsselloch, bis der Schlüssel herausfiel und auf dem Ärmel landete. Vorsichtig zog Justus ihn zu sich heran, stand schnell auf und schloss die Tür auf.
    Rasch zog er das Hemd wieder an und warf einen Blick zurück auf sein Gefängnis. Vielleicht sollte er das Seil mitnehmen, so etwas konnte man immer gebrauchen. Er rollte das Seil auf und hängte es sich über die Schulter. Dann öffnete er die Tür und spähte vorsichtig hinaus.
    Falls sein Entführer in der Nähe war, musste er den Krach des umfallenden Stuhls und das Öffnen der Tür gehört haben. Justus lauschte, doch alles blieb still.
    Der angrenzende Raum war völlig fensterlos, aber durch eine große Öffnung in der Decke fiel mattes Licht. Eine Treppe führte nach oben. Es roch hier stärker nach Staub und Verfall, aber darüber lag ein leichter Duft nach Lavendel, der Justus irritierte. Sein Entführer hatte nach allem Möglichen gerochen, aber nicht nach Blumen.
    Er schlich zur Treppe und hielt wieder an. Oben rührte sich nichts. Hatte sein Entführer ihn wirklich allein gelassen? So einen Fehler konnte er sich eigentlich nicht leisten – er musste doch wissen, dass Justus dieses Versteck sofort der Polizei melden würde, wenn er entkam. Und Justus glaubte eigentlich nicht, dass sein Entführer dumm war. Aber falls dies alles zu einem Plan gehörte, wusste Justus dennoch nicht genug, um ihn zu durchschauen. Ihm war nur klar, dass er schleunigst von hier verschwinden wollte.
    Lautlos schlich er die Treppe hinauf. Sie endete in einem großen, verlassenen Raum voller Dreck und Unrat. Früher war dieser Raum wahrscheinlich ein Wohnzimmer gewesen, das in eine offene Küche überging. Zwei Stufen führten von der Küche wie von einer Empore herab. Ein langer, gezackter Riss verlief quer über den Fußboden und zog sich bis in die Mauern hinauf. Von den großen, zweifellos teuren dunklen Fliesen auf dem Boden waren nur ein paar staubige Bruchstücke übrig geblieben. Große Bereiche Putz hatten sich von den Wänden gelöst und waren heruntergefallen, und in einer Ecke lagen Glassplitter, zerfetzte Bücher, ein paar Lumpen und leere Bierdosen. Durch die großen, zerbrochenen Glastüren und Fenster zum Garten fiel kaltes Mondlicht in den Raum, und jemand hatte in riesigen Buchstaben DEAD quer über eine Wand gesprüht. Das Haus wirkte tatsächlich tot – so trostlos, wie es nur Häuser sein können, die eigentlich bewohnt sein sollen. Justus stand reglos da und lauschte, aber von draußen kam kein Laut.
    Es wurde Zeit zu verschwinden, aber barfuß konnte er nicht über die Glasscherben laufen. Kurz entschlossen zog Justus das Oberteil seines Schlafanzugs wieder aus, stach mit dem Messer hinein und zerriss es der Länge nach in in zwei Teile, die er sich um die Füße wickelte. Dann klappte er das Messer zusammen, steckte es in die Hosentasche und machte sich über Scherben und Unrat hinweg auf den Weg zu den großen Gartentüren. Vorsichtig

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