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Schatten über Oxford

Titel: Schatten über Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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am Gesicht ablesen. ›Natürlich geht es uns gut, Mama‹, sagten wir immer. ›Es ist schön hier auf dem Land. Hier gibt es wilde Blumen und Lämmchen und solche Dinge.‹ Wir wussten genau, was die Erwachsenen gern hörten, und wollten sie nicht enttäuschen. Heute weiß ich übrigens, dass unsere Pflegeeltern wirklich arm waren. Das Leben ist für sie bestimmt nicht leicht gewesen. Jedenfalls wussten sie nicht, wie man Kindern gegenüber Nachsicht zeigt. Wir dagegen lernten, nicht um zu viele Dinge zu bitten. Nur so war das Leben damals zu meistern.«
    »Mich wundert nur, dass Sie sich später hier niederließen.«
    »Als ich 1948 nach London zurückkehrte, war mir die Stadt völlig fremd. Überall sah man noch die Spuren der Bomben, obwohl der Wiederaufbau in vollem Gang war. Nichts sah mehr aus wie früher. Ich fühlte mich völlig verloren. Ja, ich kam nach Oxford zurück, sobald ich meinen Steno- und Schreibmaschinenkurs beendet hatte, und suchte mir eine Wohnung und Arbeit. Ich hatte wohl auch die Fähigkeit verloren, mit meiner Familie zu leben. Oxford hingegen war eine Art Heimat geworden.«
    Und du hast es dir gemütlich gemacht, dachte Kate beim Anblick der glänzenden Möbel, der schweren, kunstvoll drapierten Vorhänge und der farbigen Teppiche auf dem Fußboden. »Was ist aus Naomi King geworden?«, erkundigte sie sich. »Sie ist mir noch jahrelang immer wieder begegnet. Zunächst auf dem alten Fahrrad, später hat sie sich ein hübsches, kleines Auto gekauft. Wahrscheinlich hat sie eine gute Arbeitsstelle gefunden, vielleicht auch geheiratet. Ich nehme an, sie wohnt noch immer irgendwo in der Gegend. Leider habe ich den Kontakt nicht aufrechterhalten. Ich wollte einfach alles hinter mir lassen, was mit dem Krieg zu tun hatte.«
    »Ich könnte es mit dem Telefonbuch versuchen«, schlug Kate vor. »Zumindest wäre es ein Anfang.«
    »Ich nehme an, Sie sind ganz gut darin, Dinge in Erfahrung zu bringen, wenn ich an Ihre Bücher denke. Ich habe mir in der Bibliothek eines angesehen. Sie sparen die unschönen Seiten des Lebens weitgehend aus, nicht wahr?«
    »Meine Bücher beschäftigen sich tatsächlich eher mit den angenehmen Dingen«, gab Kate zu, »was allerdings nicht heißen soll, dass das nächste ebenso wird.«
    »An Ihrer Stelle würde ich bei der Romantik bleiben« meinte Brenda. »Das ist es doch, was die Leute lesen wollen. Kein Mensch interessiert sich für kleine Bettys, die in kalten Nächten in den Hundezwinger gesperrt werden.«
    Kate erkannte, dass es an der Zeit war, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.
    »Können Sie sich vielleicht an einen gewissen Christopher Barnes und seine Schwester erinnern – ich glaube, sie hieß Susan?«
    »Ist das nicht der Junge, der gestorben ist?«, fragte Brenda. Ihre Stimme ließ keine Gefühle erkennen.
    »Genau der.«
    »Er war ein wenig jünger als ich. Zwar nur ungefähr ein Jahr, aber in diesem Alter macht das viel aus, zumal wenn der Bub der Jüngere ist.«
    »Aber Sie erinnern sich an ihn«, beharrte Kate.
    »Ja. Zunächst einmal habe ich ihn ziemlich beneidet.«
    »Ach wirklich?«
    »Er wohnte in diesem großen Haus in der Armitage Road. High Corner hieß es. Sogar von draußen konnte man sich die Wärme und das elektrische Licht gut vorstellen. Einmal war ich in der Nähe, als er gerade nach Hause kam. Die Tür öffnete sich, und helles Licht fiel auf die Straße – es war mehr und helleres Licht, als ich je im Leben gesehen hatte, außer vielleicht im Kino. Ich stellte mir vor, dass es in diesem Haus wie in Hollywood zugehen müsste. Aber das zeigt nur, wie naiv wir damals waren. Wir alle glaubten, dass dort jeden Nachmittag die opulentesten Mahlzeiten serviert würden. Das Haus gehörte Miss Marlyn, und die Marlyns waren reich. Sie sind es wohl noch immer, soviel ich weiß, obwohl sie nicht mehr Marlyn heißen.«
    Kate brachte es fertig, nicht auszuplaudern, dass der Name heute Dolby lautete. Sie war sich nicht sicher, ob sie noch willkommen war, wenn sie ihre Beziehung zu George enthüllte.
    »Ich weiß nicht, ob Chris und Susie glücklicher waren als meine Schwestern und ich. Verstehen Sie mich nicht falsch, Miss Ivory – die meisten Kinder hatten nette Pflegeeltern. Nachdem das schlimmste Heimweh abgeklungen war, fühlten sie sich hier sehr wohl. Natürlich machten wir uns Sorgen um unsere Mütter, die im Bombenhagel in London zurückgeblieben waren, aber Kinder leben nun einmal in den Tag hinein. Wir freuten uns unseres Lebens

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