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Schatten über Oxford

Titel: Schatten über Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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Manieren. Ich hörte mir Miss Marlyns Klagen zwar an, konnte mich jedoch nicht entschließen, die Kinder in einer anderen Familie unterzubringen.
    Mir war zwar bekannt, dass Elinor Marlyn schwierig war, doch ich wusste nicht, dass sie auch grausam sein konnte. Natürlich bekam das kleine Mädchen das Schlimmste ab, obwohl ihr Bruder sich immer schützend vor sie stellte. Die Kleine tat mir leid, obwohl ich mich nie dazu durchringen konnte, sie zu mögen. Da, jetzt habe ich es tatsächlich niedergeschrieben. Sie hatte einen schrecklichen, weinerlichen Akzent, den ich kaum verstand. Wann immer ich ihr begegnete, klammerte sie sich mit ihren feuchten, klebrigen Händchen an mich und ließ mich nicht mehr los. Natürlich vermisste sie ihre Mutter, aber alle Kinder vermissten ihre Mütter und hatten Heimweh. Es war keine Entschuldigung dafür, so entsetzlich zu klammern .Außerdem hatte sie abstehende Ohren und eine ständig laufende Nase, konnte aber nie ihr Taschentuch finden. Christopher nahm dann immer seins – ein schmutziges, ausgefranstes Etwas mit Tintenflecken, aber immerhin ein Taschentuch – und putzte ihr die Nase. Sie dankte es ihm mit einem feuchten Lächeln. Er liebte seine Schwester. Der arme Junge – er muss gewusst haben, dass seine Mutter im Sterben lag und sein Vater nie wieder heimkehren würde. Alles, was er noch besaß, waren ein schattenhafter Onkel und seine kleine Schwester. Und so kümmerte er sich um sie. Ich habe den beiden manchmal etwas von meiner Süßigkeitenration abgegeben, um sie wenigstens in dieser Beziehung für ihr freudloses Dasein zu entschädigen. Es war zwar nicht viel, aber sie haben sich immer über meine Bonbons gefreut.
    Und dann passierte der Unfall. Christopher hatte nur versucht, Susie das Leben zu retten. Du verstehst, nicht wahr? Die Zeitungsberichte klangen, als gäbe man dem Jungen die Schuld. Man warf dem Kind Unvorsichtigkeit vor. Susan lief auf die Straße, und Chris rannte hinter ihr her, weil sie um Haaresbreite unter einen Lastwagen geraten wäre. Dafür hat es dann ihn erwischt. Natürlich wird man Danny Watts den Prozess machen, doch mehr als zwei Pfund Geldstrafe wird er vermutlich nicht bekommen. Das nämlich ist der Betrag, den ein Kinderleben heutzutage wert ist. Aber Christopher ist tot, und Susan liegt im Krankenhaus mit einem verletzten Bein und diesem fürchterlich leeren Gesichtsausdruck. Und ich fühle mich, als sei alles meine Schuld gewesen.
    Mir ist klar, dass ich irgendetwas übersehen haben muss. Das Problem lag nicht allein an zwei unterschiedlichen Lebensweisen, die sich nicht miteinander vertrugen. Das, was ich in diesem Haus empfand, kann ich nur mit dem Wort »böse« beschreiben.
    »Da ist sie wieder, deine Melodramatik, mein Mädchen«, würdest du jetzt wohl sagen.
    Vielleicht bin ich ja tatsächlich melodramatisch, Philip. Ich weiß nicht einmal richtig, was ich selbst empfinde – wie sollte ich es da jemand anders erklären? Niemand würde mir zuhören.
    Ich habe Danny Watts nie vertraut, und wenn ich ehrlich bin, kann ich Violet und Arthur nicht besonders gut leiden.
    »Du weißt, dass du mir die Wahrheit sagen kannst, mein Mädchen.«
    Natürlich, Philip. Nun, Danny war ein Schwarzhändler. Nicht im großen Stil, aber er war immer auf seinen Vorteil aus. Eines Tages kam ich an ihrem Cottage vorbei – sie wohnten in Miss Marlyns Gartenhaus –, und sie luden mich in die Küche ein. Danny war da, und auch Arthur, der auf einem Küchenstuhl saß und sich von Violet die Haare schneiden ließ. Er hat ganz besonders dichtes schwarzes, gewelltes Haar und erinnert mich daher immer an ein wildes Tier – eine dieser Kreaturen, denen man nur im finstersten Wald begegnet. Es wächst viel zu schnell für einen ehrbaren Bürger, und deshalb lässt er es sich einmal im Monat von Violet radikal kürzen.
    »Steh nicht rum und glotz«, sagte Violet zu Danny. »Nimm dir lieber den Handfeger und feg die Haare zusammen.«
    Sie kommandiert die beiden Männer immer herum. Ich möchte ehrlich gesagt gar nicht wissen, was sie so treiben, aber ich bin sicher, dass Violet es weiß. An diesem Tag hing irgendetwas in der Luft. Ich konnte es an der Atmosphäre in ihrer Küche spüren. Sie wollten mich so schnell wie möglich loswerden, das spürte ich genau. Ich weiß nicht mehr, warum ich überhaupt dort war – vielleicht, um leere Marmeladengläser zu sammeln oder so etwas. Jedenfalls störte es sie, dass ich dort war. Violet legte die Schere weg, holte

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