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Schatten über Oxford

Titel: Schatten über Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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verloren und waren schließlich so arm wie die sprichwörtliche Kirchenmaus. Mein Großvater zum Beispiel – ihm ist das auch passiert. Es war nicht sein Fehler, Kate. Seine Aktien fielen einfach ins Bodenlose.«
    »Ach, wirklich?« Kate war sich nicht sicher, ob sie Emmas Gedankengängen noch richtig folgen konnte. Sie würde später noch einmal darüber nachdenken müssen, wenn nicht ständig jemand den Gesprächsfluss mit Namen von Mittelmeerinseln oder der Bitte um Brot unterbrach.
    »Wie dem auch sei«, sagte Emma und nahm sich endlich ihr Lamm vor, »die Dolbys erklären dir zwar, wie stolz sie auf ihre Familie sind, aber da gibt es durchaus ein paar dunkle Punkte, die sie dir gern verheimlichen.«
    »Du bist heute wirklich amüsant, Emma«, sagte Sam.
    »Ich finde, die Dolbys und die Marlyns haben allen Grund, stolz auf sich zu sein«, erklärte George. »Heutzutage gehört es schon fast zum guten Ton, über die Mittelklasse und über Geschäftsleute herzuziehen. Unsere Vorfahren waren nun einmal im Handel tätig, und sie haben Oxford zu dem gemacht, was es heute ist.« Kate hätte nie gedacht, dass George so wichtigtuerisch klingen könnte.
    »Glaubst du wirklich, dass sie mehr zum Ruf der Stadt beigetragen haben als die Universitäten?«, fragte Megan.
    »Die Mitglieder der Universitäten kommen und gehen«, erwiderte George, ohne die Tradition der letzten etwa siebenhundert Jahre in Betracht zu ziehen. »Aber Familien wie unsere bilden die Grundlage für das gesamte Gefüge.«
    Emma begann zu gähnen. Kate, die wenig Interesse an Aktienmärkten und der soliden Mittelklasse hatte und Georges verzweifelten Gesichtsausdruck richtig zu deuten wusste, entschloss sich, wenngleich verspätet, etwas zum Erfolg des Abends beizutragen.
    »Was arbeiten Sie eigentlich?«, wandte sie sich an Megan, um gleich im Anschluss zu Emma zu sagen: »Du solltest auch das Gemüse essen, Emma. Gemüse ist gesund, außerdem bekommt man davon lockiges Haar.« Hätte sie wie Nick unmittelbar neben Emma gesessen, hätte sie ihr den Lammbraten in mundgerechte Stücke geschnitten, um sie zum Essen zu animieren und vom Reden abzuhalten. Emmas Benehmen ähnelte mehr und mehr dem einer höchstens Achtjährigen und erforderte eine entsprechende Behandlung.
    »Die Brokkoli sind wirklich gut«, sagte Emma. »Viel besser, als ich sie zu Hause hinbekomme.«
    »Ich arbeite beim Gesundheitsamt«, antwortete Megan.
    »Wie interessant«, konstatierte Kate. »Sie müssen mir unbedingt von Ihrer Arbeit erzählen.«
    George lächelte ihr zu. Sie schien alles richtig gemacht zu haben.
    Als der Kellner Emma fragte, ob er ihr Wein nachschenken sollte, sagten George und Sam wie aus einem Mund: »Nein danke.«
    Kate lauschte einem faszinierenden Bericht über Führungstechniken in einem modernen, zukunftsweisenden Gesundheitsamt und wünschte sich sehnlichst, dass Emma noch einmal loslegen würde. Doch gleichzeitig war ihr klar, dass sie eigentlich nur noch darauf hoffen konnte, dass Emma das Gleichgewicht behielt und nicht vornüber in ihren Schokoladenpudding kippte.
     
    »Ein interessanter Abend«, sagte sie zu George auf dem Heimweg.
    »Stimmt. Aber nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt hat te.«
    »Hattest du wirklich die Keksdose. unter den Bodendielen vergessen?«
    »Absolut. Als wir sie fanden, waren wir selbst höchstens zehn Jahre alt. Wir haben das Ding dorthin zurückgelegt, wo wir es gefunden haben, und ich habe nie wieder einen Gedanken daran verschwendet.«
    Beinahe hätte Kate gefragt: »Auch nicht, als ich mehr über Christopher Barnes erfahren wollte?«, doch sie besann sich eines Besseren. An diesem Abend hatte es bereits genug Meinungsverschiedenheiten gegeben.
    »Glaubst du, mit Sam und Emma ist alles in Ordnung?«, erkundigte sie sich.
    »Ganz bestimmt«, war Georges Antwort. »Die beiden bringt so schnell nichts auseinander.«
    Nun, man musste auch ein gewisses Durchhaltevermögen an den Tag legen, wenn man so viele Kinder hatte und obendrein ein Haus, für das man mindestens fünf Jahre brauchte, um es aufzuräumen und in Ordnung zu bringen, dachte Kate.

11
    Am Samstagmorgen wachte Kate auf und wusste, dass sie wahrscheinlich ein paar Liter Wasser würde trinken müssen, ehe sie sich wieder einigermaßen menschlich fühlen konnte. George, der fast den ganzen Platz im Bett für sich beanspruchte, schlief noch selig. Kate klaubte leise ein Set frische Wäsche zusammen und schlich aus dem Schlafzimmer.
    Ein großes Glas kaltes

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