Schatten über Oxford
und nicht wieder in Ihre Depressionen zurückfallen.«
»An welche Zeit dachten Sie ungefähr?«, fragte Kate. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, vereinnahmt zu werden, doch Elspeth zu entkommen war nicht ganz einfach. »George und ich haben nämlich ziemlich viel zu tun.«
»Heute Nachmittag würde mir wunderbar passen.«
»Und was ist mit Ihrer morgigen Predigt?«
»Die habe ich bereits geschrieben. Dafür klingen Sie, als versuchten Sie, eine Ausrede zu finden. Habe ich irgendetwas gesagt oder getan, was Sie verletzt hat?«
»Ich würde sagen, wir treffen uns um halb vier«, schlug Kate vor. Sie musste sich eingestehen, dass Elspeth ihr ebenbürtig war. Und wenn sie der Pfarrerin zu erklären versuchte, dass sie an allem außer den beiden Flüchtlingskindern aus High Corner das Interesse verloren hatte, würde sie sich nur eine weitere Gardinenpredigt über Konzentration und die richtigen Prioritäten anhören müssen. Normalerweise liebte Kate es, an den freien Tagen gemeinsam mit George in Haus und Garten herumzuwerkeln. Doch die Diskussion beim Frühstück war nahe an einem Streit vorbeigeschrammt, und das hatte ihr ganz und gar nicht gefallen. Vielleicht war es ganz gut, wenn sie und George ein paar Stunden getrennt verbrachten.
»Ich muss noch in den Baumarkt, Farbe kaufen«, sagte George. »In ein, zwei Stunden bin ich zurück. Bis gleich.«
»Ja.« Mit anderen Worten, der Supermarktbesuch blieb an ihr allein hängen. Und er hatte sie nicht einmal gefragt, welche Farbe ihr am besten gefallen würde. Sie traute ihm durchaus zu, sich für einfaches, langweiliges Weiß zu entscheiden. Auch egal! Der Supermarkt rief, sie war ein großes Mädchen und wurde von Tag zu Tag kühner, was die Welt außerhalb ihrer vier Wände anging.
Als Elspeth kam, lag Kate auf dem Sofa und trank Pfefferminztee. Elspeth hatte bemerkt, dass die Hintertür nie verschlossen war, wenn George und Kate sich im Haus aufhielten, und war direkt ins Wohnzimmer durchgegangen.
»Was ist los?«, fragte sie besorgt.
»Nichts Besonderes«, wiegelte Kate ab. »Ich war nur im Supermarkt, um den wöchentlichen Einkauf zu erledigen. Jetzt muss ich mich ein wenig erholen.«
»Im Supermarkt? Das ist ja hervorragend!« Elspeth klang wie Kates ehemalige Turnlehrerin, die auch immer in übermäßiges Lob ausgebrochen war, wenn Kate irgendeine einfache Übung bewältigt hatte. »Ist George da?«
»Er renoviert oben in der Mietwohnung. Haben Sie Lust auf einen Pfefferminztee? Nein? Warten Sie, ich trinke meinen nur schnell aus, dann gehen wir hoch in mein Arbeitszimmer.«
Im Arbeitszimmer ging Elspeth sofort auf die Kiste mit den Kassetten zu. Warum auch nicht?, dachte Kate. Schließlich hat sie sie ja hergebracht. Trotzdem hätte sie erst einmal fragen können, ehe sie sich benimmt, als wäre sie hier zu Hause.
» Evakuierte Kinder «,sagte Elspeth, suchte nach dem entsprechenden Band und reichte es Kate. »Spielen Sie es ab. Ich würde bei Gelegenheit auch gern über diese Zeit schreiben, glaube ich. Allmählich fange ich an, mich richtig für dieses Hintergrundmaterial zu interessieren.«
»Es hat etwas«, gab Kate zu und bemühte sich, Elspeths Gegenwart nicht allzu übel zu nehmen.
Nachdem sie eine halbe Stunde zugehört hatten, war es wieder einmal Elspeth, die ihr half.
»… als die Bombe fiel«, sagte die Stimme vom Band soeben. »Eine dichte Wolke aus Staub und Trümmern stand über uns wie ein zerlumpter Regenschirm, dann regnete es Holzbretter und Ziegelsteine. Danach war es zunächst ganz still, dann hörte man rennende Füße. Das ist alles, woran ich mich erinnere. Ich war froh, als ich endlich dort wegkonnte und aufs Land durfte. Auf dem Land war es nicht übel, wissen Sie? Vielleicht erzählt man Ihnen die eine oder andere Geschichte, aber wir hatten auch wirklich gute Zeiten. Zum Beispiel, wenn Schnee lag und wir Schlitten fuhren. Das war fast wie Ferien. Mir machte es auch Spaß, in die großen Häuser der Umgebung zu gehen und Lumpen und Altpapier zu sammeln. Mein Freund Chris …«
Kate spitzte die Ohren.
»… und ich hatten von Tante Naomi einen alten Kinderwagen bekommen, den wir voll mit Papier und alten Kleidern stopften und zu ihr zurückbrachten. Keine Ahnung, wofür dieses alte Zeug gebraucht wurde, aber man bedankte sich sogar bei uns für unsere gute Arbeit. Mein Freund Chris war der, der später gestorben ist. Eine traurige Geschichte. Danny Watts bekam eine Geldstrafe wegen rücksichtslosen Fahrens,
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