Schatten über Sanssouci
– gefolgt von einer ganzen Gruppe von Soldaten.
Die Patrouille!
Jemand musste von draußen den Lärm gehört haben.
Sophie drückte sich
in den hinteren Bereich des Flurs, an der Küchentür vorbei – die Treppe hinauf.
Wenn sie sich beeilte …
Unten bellte ein
Offizier Befehle. Der Wirt erklärte jammernd, was geschehen war.
Sophie schlich über
den oberen Flur, wo es ebenfalls stockdunkel war. Hier konnte sie niemand
überraschen. Der Wirt hatte offenbar nur ein einziges Zimmer vermietet – das an
Herrn La Mettrie. Denn ansonsten hätte sicher jemand bei dem Lärm, der aus der
Gaststube drang, seine Unterkunft verlassen und sich beschwert.
Sie tastete sich
weiter vor. Welche Tür war es? Sophie war schon einige Male hier oben gewesen,
hatte mit Liese gesprochen und war ihr manchmal sogar bei der Reinigung der
Zimmer zur Hand gegangen. Sie blieb stehen und stellte sich den Grundriss des
Hauses vor. Der Monsieur bewohnte das größte Zimmer. Es ging zum Kanal hinaus …
Unten befanden sich
Schulze und der Offizier in heftigem Palaver.
»Er weiß, dass Er
alle Gäste bei Zapfenstreich rauszuschmeißen hat«, brüllte der Soldat. »Und Er
hat nicht unsere Männer auch noch besoffen zu machen. Das wird ein Nachspiel
haben.«
»Aber sie haben mich
bedroht«, rief Schulze. »Mit dem Säbel. Und das Mädchen haben sie belästigt.«
»Welches Mädchen?
Bring Er es her, damit ich es befragen kann.«
Schritte dröhnten
auf den Bohlen im Erdgeschoss. Offenbar suchte man nach ihr.
Sie konzentrierte
sich, streckte die Hand aus und tastete nach der Tür, die zu La Mettries Zimmer
führte. Ihr war klar, dass es sich um den größten der Räume handeln musste.
Vorsichtig zog sie die Haarnadel hervor, die sie schon bei Quantz sorgfältig
zurechtgebogen hatte.
»Ich weiß nicht, wo
sie hin ist«, rief der Wirt. »Sie versteckt sich vor Angst irgendwo im Haus
oder auf dem Hof. In der Küche ist sie nicht.«
»Ist sie Seine
Magd?«
Sophie, die gerade
den improvisierten Dietrich in das Schloss steckte, erschauderte. Was würde Schulze
ihnen sagen? Sie hatte ebenso wenig auf der Straße zu sein wie die Soldaten im
Wirtshaus. Sie versuchte, das Zittern zu unterdrücken. Ihre Hand musste ruhig
bleiben.
»Sie ist meine
Küchenhilfe. Sie hat noch aufgeräumt … Wo ist sie nur?«
Sophie entspannte
sich. Vorsichtig drehte sie die verbogene Nadel. Das Metall griff.
»Sophie«, rief
Schulze, »wo bist du?«
Es knirschte. Die
Tür ging auf. Muffige Luft strömte ihr entgegen, eine Mischung aus Schweiß,
abgestandenem Alkohol, Tinte und einem eigenartigen Zusatz, der an Tabak oder
Medizin erinnerte. La Mettries Zimmer war dunkel, aber die Beleuchtung auf der
Straße sorgte für einen leichten, milchigen Lichtschein, in dem Sophie die
Umrisse der Möbel erkennen konnte.
Sie begann, die
Blätter aufzusammeln, die überall verstreut waren. Unten rumpelte es. Sie
schloss die Tür hinter sich und legte Bogen um Bogen in ihren Korb.
Nach und nach
gewöhnten sich ihre Augen an die Finsternis. Sie erkannte auf dem Schreibtisch
eine kleine Ansammlung von Gläsern, wie man sie in einer Apotheke benutzte.
Herr Quantz hatte ihr von der Medizin erzählt, die Herrn La Mettrie dabei half,
in sehr kurzer Zeit viel zu schreiben, und sie gebeten, sie mitzubringen. Was
für den Franzosen gut war, konnte für Herrn Quantz nicht schlecht sein …
Unten war es etwas
stiller geworden. Hatte man die Suche nach ihr abgebrochen? War die Patrouille
überhaupt noch im Haus? Sophie lauschte. Die Soldaten sprachen miteinander. Es
klang leise und kam eher von der Straße.
Sie legte die
Opiumflasche in den Korb, trat rasch wieder auf den Flur und schloss die
Zimmertür.
Keine Sekunde zu
früh. Von der Treppe her näherte sich ein dunkler Schatten, dann kam Schulze
mit einem Kerzenleuchter hoch. Sophie gelang es gerade noch, das Tuch über den
Korb zu legen, damit man den Inhalt nicht sah. Leider kam sie nicht mehr dazu,
La Mettries Tür wieder abzuschließen.
»Hier oben hast du
dich versteckt«, sagte der Wirt und lächelte. »Keine Angst. Es ist vorbei. Es
tut mir leid, dass das passiert ist. Aber ich konnte nichts dagegen tun.«
Gemeinsam gingen sie
hinunter. Schulze stellte den Leuchter in die Küche und schnitt Schinken und
Brot ab.
»Sie haben die drei
Grenadiere mitgenommen«, sagte er, während er den Imbiss für Herrn Quantz
richtete. »Der Offizier wollte noch mit dir reden, aber das konnte ich
verhindern. Ich habe gesagt, du wärst
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