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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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sich die Tür des Zimmers und Stoiko trat ein.
    »Ihr seht mich fassungslos vor freudigem Erstaunen, Herr«, begann der Vertraute, dessen Augen amüsiert glitzerten, »Ihr werdet es nicht für möglich halten, aber wir haben unsere ersten beiden Fälle draußen sitzen.«
    »Wirklich?« Lodrik war Feuer und Flamme. Schnell richtete er die Uniform und setzte sich gerade hin, dann drapierte er noch schnell ein paar Gesetzesbücher auf dem erhöht stehenden Schreibpult. »Nur herein mit ihnen.«
    Der erste der beiden Männer trug kostbare Gewänder aus bestem Tuch in Braun und Beige mit weißen Stickereien, die Stiefel glänzten frisch poliert, und vom Gesicht des reifen Mannes ging ein erprobtes, geschäftstüchtiges Lächeln aus. Unter seinem Arm trug er ein kleines Päckchen.
    Neben ihm lief ein junger Mann in schlichtester Kleidung, die Haut sonnenverbrannt, die Arme sehnig und muskulös von der vermutlich harten Arbeit, die er verrichten musste.
    Lodrik vermutete einen Händler und einen Feldarbeiter oder Kleinpächter.
    »Exzellenz. Ich freue mich, dass Ihr Zeit gefunden habt, eine Entscheidung zu fällen.« Der gut gekleidete Mann trat vor und verbeugte sich. »Ich heiße Stenka Meschinskaja und bin Schweinehändler von Beruf. Ich habe ein Geschenk für die Mühen, die Ihr Euch mit Eurem Richtspruch macht, mitgebracht.« Er legte das Päckchen auf dem Pult ab und stellte sich wieder nach hinten. »Ich hoffe, es trifft Euren Geschmack.«
    »Ich bin Radomil, ein einfacher Landpächter, Exzellenz. Mein Land liegt ein paar Warst von der Stadt entfernt. Und ich hoffe auf Eure gerechte Entscheidung.« Die Stimme klang entmutigt und ohne Hoffnung, als ob der Mann seine Sache bereits verloren glaubte.
    »Wer schildert mir den Fall?«, fragte Lodrik gespannt und gab sich Mühe, gerade zu sitzen. Stoiko und Waljakov hielten sich im Hintergrund und beobachteten.
    Wie selbstverständlich räusperte sich Meschinskaja.
    »Ich bin, wie ich bereits erwähnte, Exzellenz, Schweinehändler und verdiene meinen Lebensunterhalt damit. Mein ganzes Vermögen steckt in den Tieren, die ich pflege und hüte wie meinen Augapfel.« Er warf Radomil einen gifterfüllten Blick zu. »Eine meiner besten Schweineweiden liegt neben dem verfluchten Feld dieses Menschen hier, und durch ein dummes, dummes Missgeschick sind elf meiner besten Tiere in sein Getreide und haben es zum großen Teil gefressen.«
    »Dein Hirte hat geschlafen«, protestierte der Landpächter halblaut. »Deshalb sind die Schweine ins Feld und haben alles zerstört.«
    »Ich schildere die Umstände, nicht du«, wies ihn der Händler scharf zurecht. »Auf alle Fälle sind die armen Tiere an dem jämmerlichen, giftigen Getreide unter größten Schmerzen gestorben. Das Fleisch war leider auch nicht mehr zu gebrauchen, sodass ich einen Ausfall von mehr als hundert Waslec zu beklagen habe, Exzellenz. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Das könnte mein Ruin sein, wenn ich keinen Schadenersatz bekomme.«
    Lodrik glaubte einen Moment lang, sich verhört zu haben, und legte die Stirn in Falten. »Und nun erzähle du.« Er deutete auf den Landpächter.
    »Seine einfältigen Schweine sind in mein Feld, weil sein noch dämlicherer Hirte unter dem Birnenbaum in der Nähe lag und seinen Rausch ausschlief, Exzellenz.«
    »Du wagst es …«, brauste Meschinskaja auf, doch eine Handbewegung des Gouverneurs brachte ihn zum Schweigen.
    »Ich bin erst spät am Nachmittag in die Nähe gekommen und habe das Gequieke der Viecher gehört, und dann sah ich die Bescherung«, berichtete der Landpächter weiter, ermuntert von der Unterstützung des Statthalters. Er trat einen Schritt vor. »Das Korn ist zu mehr als der Hälfte gefressen, ich werde den Zins nicht zahlen können, und meine Familie hat nichts zu essen.« Der Mann sah verzweifelt aus.
    »Wen interessiert denn deine schäbige Familie? Ich habe einen Ausfall von mindestens … hundertdreißig Waslec!« Der Händler wandte sich mit gespielt flehender Mine an den Statthalter. »Exzellenz müssen mir helfen. Ich verlange eine Entschädigung von dem Tölpel.«
    Lodrik war sich inzwischen sicher, doch alles richtig verstanden zu haben, auch wenn er es kaum glauben wollte.
    »Ich habe bemerkt, dass in Granburg nicht alles so läuft, wie ich es gewohnt bin, aber das geht entschieden zu weit.« Er winkte Meschinskaja vor das Pult. »Deine Schweine haben sein Getreide gefressen und sind am unreifen Zeug eingegangen. Und deshalb willst du eine Entschädigung?

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