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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ihr zu eng in dem Raum geworden, alles nervte sie jedes Geräusch, sogar jeder fremde Atem.
    Als die Theke wieder in Sicht kam, bemerkte sie, dass jemand zu Irves und Paula getreten war. Sie stutzte und blieb stehen.
    Es war der Junge, den sie heute an der Bushaltestelle gesehen hatte! Nun, »gesehen« war zu viel gesagt. Jetzt erst konnte sie sein Gesicht genauer betrachten. Er konnte tatsächlich ein Inder sein, jedenfalls hatte er dunklere Haut als der Standard-Mitteleuropäer. Sein Gesicht war schmal und hatte sehr regelmäßige Züge. Die Augen waren ernst. Ohne die Schwellungen und blauen Flecken sah er bestimmt nicht schlecht aus, aber im Moment tat es beinahe schon weh, ihn in Augenschein zu nehmen. Wie fest musste jemand zuschlagen, damit ein Gesicht so übel zugerichtet wurde? Paulas argwöhnischem Blick nach zu urteilen, dachte sie über genau dasselbe nach.
    Noch bevor Zoë zu der kleinen Gruppe trat, sah er sich nach ihr um – und erstarrte. Sie hätte keinen größeren Effekt erzielen können, wenn sie sich eine Freddy-Krüger-Maske aufgesetzt hätte. Er wurde blass und starrte sie so fassungslos an wie einen Geist. Zoë wäre jede Wette eingegangen, dass er Drogen genommen hatte. Aus der Nähe wirkten seine Augen so dunkel, dass die Pupillen nicht sichtbar waren.
    »Hey Zoë«, sagte Irves. »Kennst du meinen Freund French schon?«
    »Nein«, antwortete sie zögernd. »Hallo.«
    Sie bildete sich sogar ein, eine Art Pulsieren der schwarzen Iris wahrzunehmen. Kein Zweifel, der Typ kochte vor Wut. Zoë fröstelte. Der Kerl war mehr als unheimlich.
    »Was soll das hier eigentlich werden?«, zischte er Irves wütend zu.
    Irves’ Augen verengten sich nur um eine Nuance, aber Zoë hatte auf einmal das Gefühl, dass die Luft zwischen den beiden vor Eis klirrte.
    »Tja, waschechter Algerier«, sagte Irves mit einem gefrorenen Lächeln zu Zoë. »Schnell wütend. Am besten, man reizt ihn nicht zu sehr.«
    Dieser French kniff die Lippen zusammen. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und so angespannt, dass die Haut weiß wirkte. Plötzlich hatte Zoë Angst vor ihm, so bedrohlich und unberechenbar wirkte er. Paula schien es auch zu spüren, denn sie hakte sich eilig bei Zoë unter. »Das reicht«, flüsterte sie ihr zu. »Rückzug, wir müssen sowieso gehen.«
     
    Ich wusste nicht, was hier lief, aber es fehlte nicht viel und ich wäre auf Irves losgegangen.
    »Hey, beruhige dich«, sagte er, sobald die Mädchen außer Hörweite waren. »Ist es verboten, mit ihr zu sprechen? Gegen welchen Kodex verstoße ich damit?«
    »Was zum Teufel willst du von ihr?« Ich schrie und es war mir egal. Ein paar Leute drehten sich zu mir um.
    Irves lächelte auf eine Art, für die ich ihm am liebsten die Nase gebrochen hätte.
    »Sie hat mich interessiert, das ist alles.« Er hob beschwichtigend die Hände. »Ich habe ihr kein Haar gekrümmt. Sie geht ganz brav mit ihrer Freundin nach Hause. Paulas großer Bruder fährt mit dem Auto vor und holt die zwei ab. Keine Gefahr also! Für heute kannst du Feierabend machen, Bodyguard.«
    »Das glaube ich kaum«, knurrte ich. »Schon gehört? Sieht ganz so aus, als hätte Maurice Barb zur Strecke gebracht.«
    Es war immerhin ein Erlebnis, auch einmal Irves’ Gesichtszüge entgleisen zu sehen. »Maurice?«, fragte er fassungslos.
    »Sonst fällt mir keiner von uns ein, der jemandem an die Kehle gehen würde. Und erzähl mir nicht, Barb wäre mit ein paar betrunkenen Schlägern und einem Hund nicht fertig geworden!«
     
    »Was läuft denn da?«, fragte Paula und lachte nervös. »Irves kann mir ja viel erzählen – aber Freunde sind die beiden ganz bestimmt nicht. Der Typ sieht gruselig aus.«
    Zoë sah sich nach der Theke um. Irves und dieser French standen sich gegenüber, als würden sie jeden Moment eine Schlägerei anfangen. French schrie Irves an und gestikulierte. Obwohl er kleiner war als Irves, wirkte er keinen Deut harmloser. Im Gegenteil. Zoë fröstelte unwillkürlich. In diesem Augenblick wusste sie eines ganz sicher: Sie traute ihm nicht. Er machte ganz den Eindruck, als würde er etwas verbergen.
    »Sieht mir eher danach aus, als hätten die noch eine Rechnung offen«, erwiderte sie und wandte sich wieder ihrer Freundin zu. »Und, hast du dich noch mit Irves unterhalten? Ist das wirklich sein richtiger Name?«
    Paula lächelte ihr verschmitzt zu. »Ich habe seine Mailadresse und ein paar Infos über sich hat er auch noch rausgerückt. Ja, er heißt wirklich Irves.

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