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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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hast sie von einem Tag auf den anderen verlassen. Warum?«
    Die Erwähnung seiner Band behagte ihm offenbar nicht. Sie konnte es an der Spannung seiner Körperlinie sehen und empfand den Stimmungsumschwung wie ein elektrisches Kribbeln auf der Haut.
    Als Irves immer noch nichts antwortete, ergänzte sie: »Die Stücke, die du mir aufgespielt hast, sind von Ghost , nicht wahr?«
    »Nicht alle«, antwortete er knapp. »Die ersten fünf.«
    »Sie sind gut! Im Internet stand, ihr hättet nur Neo-Punk gespielt, aber das hier klingt viel besser. Alles dabei: Deep Tech-Acid House, Electronic Beat s …. Ihr wart richtig professionell! Kein Mensch lässt eine solche Band einfach so im Stich. Was ist passiert?«
    Er zeigte nur ein schmallippiges Lächeln. »Was wohl? Ich bin über die Brücke gegangen. Wie du. Und dann hat es mit der Band nicht mehr gepasst. Tja, es hat auch Nachteile, wenn man auf einmal ein perfektes Gehör hat. Wenn die Jungs gespielt haben, war es plötzlich wie Folter. Schlechte Verstärker in den Bars, dröhnende Boxen. Unser E-Gitarrist spielte wie eine Kreissäge. Außerdem war mir vorher nie aufgefallen, dass unser Sänger die Töne nicht hundertprozentig trifft. Ich habe keinen Auftritt mehr ganz durchgehalten. Und dann dachte ich mir: Wenn es ohnehin zu Ende ist, kann ich auch gleich ganz neu starten. Das ist alles.«
    Es klang zu glatt, zu cool, zu selbstverständlich. Im Grunde klang es genauso, wie Zoë selbst noch vor einer Woche geklungen hatte, wenn sie von David und Ellen sprach. Also hat es doch seinen Preis , dachte Zoë.
    »Außerdem kannst du in London keinen Schritt machen, ohne von Überwachungskameras gefilmt zu werden«, fügte Irves hinzu. »Kann bei einem Blackout von Nachteil sein. Vermute ich jedenfalls.«
    »Und wovon lebst du?«, bohrte Zoë weiter.
    »Habe ich etwas nicht mitbekommen?«, erwiderte er verärgert. »Bin ich hier beim Speed-Dating?«
    »Immerhin bist du in den sechsten Stock geklettert, um mich zu sehen«, konterte Zoë ungerührt. »Paula würde das eindeutig als Dating-Versuch werten. Also?«
    Irves schnaubte. »Geht keinen was an.« Er musterte sie prüfend. Dann stahl sich wieder das diebische Lächeln in sein Gesicht.
    »Ich habe keine Lust, die ganze Nacht auf der Fensterbank herumzuhocken. Drehen wir eine Runde und führen deinen Schatten spazieren?«
    Zoë schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht raus. Meine Mutter könnte aufwachen und außerdem habe ic h …«
    … Fieber , wollte sie sagen. Doch im selben Moment bemerkte sie, dass das Fieber vollkommen verschwunden war. Und mit dem Fieber auch die Müdigkeit.
    »Du klingst ja wirklich schon wie Gil«, sagte er spöttisch. »Hat er dir auf der Brücke eine Gehirnwäsche verpasst? Du willst doch nicht werden wie er? Ein Sportwagen, der ständig mit angezogener Handbremse fährt.«
    »Immerhin hat er mich von der Brücke runtergeholt«, bemerkte Zoë spitz. »Wo warst du, als die drei mich beim Club erwischt haben?«
    Warum habe ich das Gefühl, Gil verteidigen zu müssen?
    Irves grinste über die Stichelei und zuckte mit den Schultern. »Früher oder später hätte dich jemand erwischt und gejagt. Gehört zum Ritual. Außerdem habe ich die SMS erst später gelesen und dir eine Nachricht geschickt, dass du dich vom Schlachthof fernhalten sollst.«
    »Nützt nur nichts, wenn das Handy weg ist.«
    Irves griff nach hinten, zog etwas aus der Hosentasche und warf es ihr zu. Reflexartig fing sie es auf. Es war ein ziemlich zerkratztes Handy.
    »Schön, dass du danach gesucht hast«, sagte sie trocken. »Aber das ist nicht meines.«
    »Jetzt schon. Standardcode 9805. Den haben wir alle drei, na ja, mit dir jetzt vier. Kurzwahltasten sind programmiert. 2 für mich, 3 für Gizmo, 4 für Gil. Wenn du es verlierst, sag Bescheid.« Er hob vielsagend die Brauen. »Und ich gehe jede Wette ein, du wirst es verlieren.«
    »Klar, so wie zwei Paar Schuhe, meine Jacke und den MP3. Teurer Spaß auf die Dauer!«
    »Denke voraus. Sorge dafür, dass du deine Wertsachen dort verstaust, wo du sie dir nicht runterreißen kannst. Oder deponiere deine Klamotten irgendwo, bevor du losrennst. Wenn du es richtig anstellst, kann die Sache sogar Spaß machen.«
    »Wenn du denkst, ich laufe oben ohne durch die Gegend, hast du dich geschnitten!«
    »Schade«, meinte er mit einem Funkeln in den Augen.
    Gegen ihren Willen musste sie lachen. Es war lange her, dass ein Gespräch mit jemandem so sehr dem Laufen im selben Takt geähnelt

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