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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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der überwältigende, provozierende Geruch nach… Hund!
    Noch nie hatte Zoë bewusst darüber nachgedacht, aber sie erkannte den Geruchsmix, als hätte sie nie etwas anderes gewittert. Acht Nuancen. Eine davon Fleischatem. Eine andere der dumpfe, schweißlose Geruch von Hundehaut.
    Im selben Moment tauchte am Ende der Straße die Silhouette eines riesigen Kampfhundmischlings auf. Misstrauisch witterte er in ihre Richtung, dann senkte er den Kopf, zog die Lefzen zurück und knurrte. Zoë schnappte nach Luft, als sie die Fangzähne sah.
    Irves ging unbeirrt weiter. Sie sprang vor und packte ihn am Arm. Haut an Haut. Irves zuckte leicht zusammen, doch dann entspannte er sich wieder und sie blieben Arm an Arm stehen.
    »Geh da nicht hin! Den Hund kenne ich, er gehört dem Kioskbesitzer«, flüsterte Zoë. »Er wird geschlagen und ist deshalb bissig.«
    »Wirklich?«, fragte Irves gelangweilt.
    »Ja. Er hat mich vor ein paar Tagen verfolgt. Ich glaube, er hat meine Jogginghose zerfetzt.«
    Die Erinnerung an ihre Angst stieß etwas in ihrem Inneren an. Eine rote Werbetafel, die schwach beleuchtet war, nahm einen matschgrauen Farbton an. Zoë betrachtete den Hund und verspürte außer ihrer Furcht noch etwas anderes, etwas, das verdeckt war und nur darauf wartete, an die Oberfläche zu kommen.
    »Tja«, meinte Irves, »in diesem Fall hat er sich wohl eine Lektion von dir verdient.«
     

Jagdfieber
    Nachrichten von Zoë! Sie meldete sich über SMS und Mail. Flaschenpost aus dem Meer der Ungewissheiten. Beunruhigende Nähe, die mich bis in meine Träume verfolgte. Dann sah ich sie tanzen und lachen. Und manchmal waren wir ganz normale Leute, die Hand in Hand durch die Straßen schlenderten, ohne Gefahr, ohne das Dunkle in uns, weit entfernt vom Abgrund. Ich träumte tatsächlich davon, dass wir zusammen waren und dass das Leben einfach und gefahrlos war. Und es hatte längst nichts mehr mit Sorge und Mitleid zu tun.
    Vielleicht ging ich Irves deshalb aus dem Weg. Vor seinen Antennen hätte ich mich nicht verbergen können. Gizmo dagegen konzentrierte sich gerade ohnehin nur auf die Nachrichten und auf die anderen von uns.
    Ich kann es nicht fassen, dass ich nach der ganzen Aktion nicht einmal Danke gesagt habe!
    Das schrieb Zoë in der ersten Nachricht. Ich konnte gar nicht anders, als ihre Stimme zu hören und zu lächeln, als ich die Zeilen las.
    Ja, ich habe den Schock inzwischen einigermaßen verkraftet. Aber ich bin trotzdem verwirrt. Ich habe noch so viele Fragen, Gil! Zu mir, zu den Morden, zu der Verwandlung – und zu dir. Wann sehen wir uns???
    Ich hatte gedacht, dass es nicht mehr viel gab, was mich aus der Fassung bringen konnte. Nun, meine Reaktion auf diese Nachricht belehrte mich eines Besseren. Es war wie ein elektrisches Flirren. Direkt unter dem Brustbein, dort, wo Kummer und Schmerz ihren Platz haben. Aber ich entdeckte im selben Augenblick, dass an derselben Stelle auch die Sehnsucht saß. Es beunruhigte mich und ließ mich sofort auf Abstand gehen. Ich schrieb zurück:
    Bald. Bis dahin pass auf dich auf! Und bleib zu Hause, wenn es geht. Wir sind immer noch in Gefahr. Wenn du rausgehst, achte wenigstens darauf, nicht alleine zu sein. Wer auch immer der Mörder ist, offenbar greift er nur an, wenn das Opfer allein ist. Ich melde mich. Gruß, Gil.
    Ich konnte nur zu deutlich spüren, dass sie von meiner sachlichen Distanz enttäuscht war. Ist das alles? Nur Instruktionen? Das stand in der SMS, die ich auf dem Weg zu Gizmo erhielt. Und noch während ich sie las, vibrierte das Handy in meiner Hand. Zoës Nummer! Mein erster Impuls war, den Anruf wegzudrücken, aber dann erinnerte ich mich daran, dass es auch ein Hilferuf sein könnte.
    »Hallo Zoë«, sagte ich.
    Ein schnelles Atmen, dann ein Räuspern. »Hallo. Wo bist du gerade?«
    »Unterwegs.« Ich hoffte, sie würde nicht die Nervosität in meiner Stimme hören.
    »Irgendwo in meiner Nähe? Können … wir uns treffen?«
    »Warum? Ist etwas passiert?«, fragte ich so sachlich wie möglich.
    Für einige Sekunden war sie sprachlos. »Eine ganze Menge ist passiert«, erwiderte sie dann verärgert. »Wo finde ich dich? Gibst du mir deine Adresse? Oder willst du zu mir kommen? Ich bin heute zu Hause.« Als ich zögerte, fügte sie mit kaum verhohlener Ironie hinzu: »Wo ich wohne, weißt du ja.«
    Ich brauchte eine Weile, um den Wunsch niederzukämpfen. Einfach zu Zoë gehen! Aber was dann? Was, wenn sie mir die falschen Fragen stellte? Was, wenn ich

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