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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller
Autoren: Karen-Susan Fessel
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weg und sehe zu, wie die alte Frau das Tablett zufrieden lächelnd auf dem Tisch abstellt. Es riecht nach Kaffee; kein Wunder, auf dem Tablett steht ja auch eine Porzellankanne, aus der Kaffeedampf aufsteigt. Auf dem Teller daneben liegen zwei Brotscheiben, dazu Butter, ein Stück Wurst und eine in Plastik verpackte Marmeladenportion. Und dann ist da noch ein Teller, ein flacher, größerer Teller mit Gurkenscheiben, Oliven, Tomaten und einer Art Käse. Weißlicher Käse, Schafskäse vielleicht. Keine Ahnung.
    Oder doch – ich hab eine Ahnung.
    Eine schwache Ahnung, die in mir aufsteigt. Mehr noch: eine Erinnerung.
    Die ich nicht fassen kann. Jetzt jedenfalls nicht.
    » Prijatno! « Die alte Frau lächelt mich nochmals an, dann wischt sie sich die Hände an ihrer geblümten Schürze ab und sagt etwas zu dem Typen. Der nickt, zieht ein Messer aus der Tasche, geht zum Fenster, fummelt kurz an den Schrauben herum, dann reißt er es auf.
    Und erst jetzt merke ich, wie stickig die Luft im Raum ist. Jetzt, wo frische, zugleich sehr warme Luft durch die Lamellenschlitze der immer noch geschlossenen Fensterläden hereindringt. Und mit ihrHundegebell, sehr weit entfernt. Ein Rauschen. Und mehrere Stimmen, leise, fast murmelnd.
    Und ein Geruch, staubig, mild, fremd. Und doch vage vertraut.
    Für einen Moment will ich aufspringen und zum Fenster stürzen, die Läden aufstoßen und hinausspringen, aber der Typ hebt die Hand und schüttelt sie abwehrend hin und her. Als hätte er meine Absicht in meinen Augen gelesen.
    » No! «, sagt er. » No! « Und dann zeigt er auf das Tablett. » Eat! «
    Ich sehe auf den Teller und die dampfende Kaffeekanne, dann schüttele ich den Kopf und verschränke die Arme vor der Brust. Obwohl ich Hunger habe. Mein Magen ist schon ganz klein vor Hunger. Und Durst habe ich auch. Kaffeedurst.
    » Eat! «, ruft der Typ, und die alte Frau nickt mir zu, mit einem drängenden Ausdruck in den Augen.
    Einen Moment lang schwanke ich, dann gebe ich nach und ziehe die Kanne näher zu mir heran. Vorsichtig schenke ich etwas Kaffee in den weißen Becher, der neben ihr steht. Dampfend heißer Kaffee schießt hinein, schaumig und stark. Offenbar ist schon Milch darin, denn der Schaum sieht hell aus. Cremig fast.
    Das Wasser läuft mir im Munde zusammen. Für einen Moment starre ich in die schaumige Flüssigkeit. Und wenn jetzt Gift darin ist?
    Wenn sie mich vergiften wollen?
    Obwohl, warum sollten sie das tun? Mich einsperren, um mich dann zu vergiften?
    » Drink! «, befiehlt der Typ. Er und die alte Frau starren mich an.
    Mit zitternden Fingern hebe ich den Becher unter den Augen meiner beiden Bewacher zum Mund. Dann trinke ich einen Schluck.
    Heiß und stark rinnt der Kaffee meine Kehle hinunter.
    » Dobre? «, fragt die alte Frau freundlich und sieht mich erwartungsvoll an, und ich nicke.
    » Dobre «, antworte ich. Und trinke noch einen Schluck.
    Die alte Frau lächelt. Der Typ macht das Fenster wieder zu.
    Und erst als sie beide wieder draußen sind, die Tür hinter sich geschlossen und mich mit meinem Frühstück allein gelassen haben, erst jetzt wird mir klar, was die alte Frau zu mir gesagt hat.
    Und was ich ihr geantwortet habe.
    Dobre .
    Dobre heißt gut.
    Auf Ungarisch vielleicht auch, keine Ahnung.
    Auf jeden Fall aber auf Serbisch.
    Genau wie dobro jutro: Guten Morgen. Und prijatno : Guten Appetit.
    Serbisch.
    Die alte Frau spricht Serbisch.
    Wie meine Oma.
    Wie Oma Jovana.
    Die Erinnerung, die ich nicht fassen konnte: Oma Jovana. Die kleine Gartenlaube, in der sie hauste. Obwohl – eigentlich war es ein richtiges Haus. Aber eben so klein wie bei uns in Deutschland die Gartenlauben.
    Schön war es da immer und heiß, sehr heiß.
    Die Hitze, der Staub. Das Kläffen der streunenden Hunde. Die vielen, vielen Spinnen, die überall ihre Netze spannen.
    Und dieser Geruch: staubig, mild, fremd. Ein Geruch nach Sommer und Hitze, nach schmutzigen, lange nicht gewaschenen Kleidern und unbekannten Kräutern.
    Es war schön da, aber auch fremd. Und ein bisschen unheimlich manchmal. Zum Beispiel, wenn ich allein abends schon im Zimmer lag, in dem ich gemeinsam mit Oma Jovana schlief. Wenn die Spinnen sich über mir an der Decke entlanghangelten und von draußen das Kläffen und Jaulen der Straßenhunde hereinklang, untermalt von den Stimmen meines Vaters und meiner Oma.
    Ich war immer froh, wenn Oma Jovana endlich zu mir ins Bett kam, sich grunzend die Kissen zurechtlegte und schließlich anfing zu
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