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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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Und als ich in der Schule anrufe, um zu fragen, wo du bleibst, da erfahre ich, dass du gar nicht da warst! Sag mal, musst du uns noch zusätzlich Sorgen machen? Als hätten dein Vater und ich nicht genug durchgemacht im letzten Jahr.» Dann geht sie mit einem Seufzer in die Hocke. Schiebt Stück für Stück die Schmutzwäsche in die Trommel.
    «Und ich, für mich war alles so einfach, oder wie?» Ich merke, dass ich zittere. Irgendwie muss die Waldkälte an mir hängen geblieben sein.
    «Wir haben dich aus allem rausgehalten, so gut es ging», sagt meine Mutter leise.
    Ich schlinge meine Arme um den Körper. Blödes Frösteln, gleich klappern mir noch die Zähne. «Es ging aber nicht gut! Es war total Scheiße für mich, wisst ihr das?»
    Sie richtet sich auf. Dreht sich immer noch nicht um. Misst sorgfältig Waschpulver ab und füllt es in die Dosierschublade ein. Dann den Weichspüler mit dem künstlichen Lavendelduft. Sie sucht in der Bedienungsanleitung nach dem richtigen Programm, wählt und drückt den Startknopf. «Jetzt lauf endlich», zischt sie. Drückt und drückt und drückt und drückt. Hämmert noch auf dem Startknopf herum, als mein Vater in die Küche kommt. Er nimmt ihr die Anleitung aus der Hand und liest. «Vielleicht liegt ein Bedienfehler vor. Dann wird das hier drinstehen», sagt er. Blättert um. Dreht am Programmwahlknopf. «Oder sie haben uns ein defektes Gerät geschickt. Dann können sie sich auf was gefasst machen.» Die Bedienungsanleitung in seiner Hand zittert. Ganz leicht nur.
    Ich folge seinem Blick, der das feindliche Gerät abtastet. «Vielleicht macht ihr mal die Trommel richtig zu?», frage ich. Ein kurzer Tritt, das Bullauge rastet mit einem Klick ein, und Wasser rauscht in die Maschine. Meine Mutter hält sich ein Taschentuch vor das Gesicht und eilt aus der Küche.
    Ich will auch gehen, aber mein Vater hält mich fest, schon wieder.
    «Siehst du das? Deinen Fußabdruck da auf dem Chrom? Sofort wischst du das ab!»
    Ich halte den Lappen unter den Wasserhahn, während er immer weiter redet. Lauter, um mein Wasserplätschern und die brummende Maschine zu übertönen. «Jetzt reicht es! Du kommst und gehst, wann es dir passt. Du vernachlässigst die Schule. Und heute? Nicht einmal, wenn wir dich brauchen, bist du rechtzeitig hier.»
    Ich sage nichts. Ich hocke da und wische der ekligen Maschine, die ich niemals haben wollte, den Waldschmutz aus dem Auge.
    «Ich erlaube nicht, dass hier alles drunter und drüber geht. Es wird Zeit, dass du aufhörst, dich wie ein kleines Kind zu benehmen. Auch du hast Pflichten, die du ernst nehmen musst, nicht immer nur deine Eltern! Du hast eine Woche Hausarrest, Luisa!»
    Hausarrest? Wir haben doch gar kein Haus mehr. Kein Haus, keine richtige Familie. «Ist gut», murmle ich, werfe den nassen Wischlappen ins Spülbecken und gehe in mein Zimmer.
     
    Mein Zimmer. Mein. Zimmer. Mein Gefängnis ab jetzt. Hat man Gefängnis verdient, wenn man nur einfach einen Platz gesucht hat, an dem man sein Leben neu ordnenkann? Selbst wenn an dem Tag eine Waschmaschine kommt? Ist das gerecht? Was verstehen meine Eltern schon von Namensbäumen und Trauerplätzen! Ich schließe die Tür hinter mir ab. Gehe hinüber zur Stereoanlage. Zum ersten Mal in diesem Zimmer, zum ersten Mal wieder nach langer Zeit der Stille höre ich Musik. Laute, ärgerliche Klänge. Wütende E-Gitarren verjagen Fremde. Drohende Bässe bauen eine Mauer um mich auf. Um mich und meine Gedanken. Ich wickle mich in meine bunte alte Patchworkdecke, die so nach früher riecht.
    Mein Zimmer ist mein Gefängnis, hier muss ich bleiben. In den Wald könnte ich nicht einmal, wenn ich dürfte. Denn Thursen ist ein Wolf.
     
    Mein Zimmer ist mein Gefängnis. Nur zur Schule lassen meine Eltern mich gehen. Frühmorgens schicken sie mich raus in den ewig grauen Nieselregen, der nass und kalt vom Himmel tropft. Ich halte den Kopf unter der Kapuze gesenkt, die Fugen zwischen den Betonplatten auf dem Gehweg ziehen unter meinen Schritten dahin. Neben mir Füße in ausgetretenen, in blankgeputzten, in bespritzten Schuhen, in Gummistiefeln, nur Füße, keine Menschen, keine Gesichter.
    Die Schule ist ein weiß-grau gestrichenes Gebäude mit Putzornamenten an der Fassade, Erkern und Gauben im Dach. Uralt. Mit seinen hohen Räumen und großen, zweigeteilten Fenstern erinnert es an ein Spukschloss. Innen riecht es nach feuchten Jacken und nassem Haar. Schüler markieren den Boden mit matschbraunen

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