Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter
Blick. Seine Augen schimmern hell, mondsteinblau, fast wie Katzenaugen im Scheinwerferlicht. Es irritiert mich. Es macht mir keine Angst, es ist unangenehm und kratzt auf der Seele. Doch ich weiche nicht zurück, halte stand. Beiße meine Zähne zusammen, auch wenn sein schimmernder Blick in meinen Augen brennt, dass ich die Tränen wegblinzeln muss.
«Ich bin nicht wie andere Menschen, Luisa. Ich habe Kräfte, die du dir noch nicht einmal vorstellen kannst, aber du musst keine Angst vor mir haben, ich werde dir nichts tun.»
«Jetzt hör endlich mit dem Unsinn auf!» Ich gehe zur Tür und drücke auf den Schalter der Deckenlampe. Als das Licht den Raum flutet, sehen seine Augen auf den ersten Blick wieder normal aus. Aber jetzt, wo ich weiß, dass sie schimmern, kann ich es auch im Hellen sehen, wenn er den Kopf dreht.
Seine verdammten Augen. Die Wut steigt in mir auf und die Verzweiflung und die Trauer. «Was bist du, Elias? Warum kannst du kein normaler Mensch sein? Warum nicht wenigstens du?», schreie ich. Und dann lasse ich ihn stehen, bin raus aus dem Zimmer und knalle die Tür hinter mir zu.
Er kommt mir nach. «Luisa!», sagt er, aber ich drehe mich nicht um. Marschiere weiter in mein Zimmer. Auch dahin folgt er mir. Ich kann ihn nicht davon abhalten, kann mich nicht einschließen. Nutzlos hängt die Tür im zerbrochenen Rahmen. Ich setze mich auf mein Bett und drehe Elias den Rücken zu. Dennoch spüre ich, wie er hinter mir im Raum steht.
«Hör zu, Luisa. Es tut mir leid, dass ich dir misstraut habe. Aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Thursen dir nichts von uns erzählt hat.»
«Was hätte er mir denn erzählen sollen?»
«Hat er wirklich nie mit dir über die Feinde der Wölfe gesprochen?»
«Doch, aber er durfte mir nicht mehr darüber sagen.»
«Das darf ich auch nicht. Es ist mir sogar ausdrücklich von oberster Stelle verboten worden.»
«Ich habe genug davon, dass mir nie jemand etwas erzählt.»
«Ich allerdings glaube, dass du inzwischen sowieso schon so viel weißt, dass du auch den Rest erfahren solltest.»
Wie bitte? Elias will tatsächlich dieses verdammte Schweigen brechen? Ich drehe mich zu ihm um. «Du magst es nicht sonderlich, wenn man dir etwas verbietet, oder?»
«Kann schon sein.» Ein kleines Lächeln fliegt über sein Gesicht. «Und deshalb sage ich dir jetzt, was du wissen musst.» Er greift in seinen Pulloverkragen und zieht einen runden, verschnörkelten Metallanhänger hervor, den er an einer Kette um den Hals trägt. Nimmt die Kette ab und reicht sie mir.
Ich zögere.
«Nimm!», sagt er.
«Und ich verbrenne mir nicht die Finger daran oder so?»
«Versuch es.»
Vorsichtig greife ich nach der Kette. Der Anhänger hat die Farbe von blassem Gold, wie sehr helles Messing. «Was ist das?»
«Das Zeichen unseres Ordens. Jeder von uns hat eins.»
Mit dem Blick folge ich dem komplizierten, verschlungenen Muster. «Sind all eure Zeichen gleich?»
«Sie sind sehr ähnlich. Die Muster und die unterschiedlichen Metalle zeigen den Rang an.»
Ich traue mich und nehme das runde Ordenszeichen in die Hand. Das Metall ist glatt und ganz warm, weil es auf seiner Haut gelegen hat. Was für Metall soll das sein? Und noch etwas fühle ich. Ein leises Vibrieren unter meiner Handfläche, als sei das Zeichen mit Macht aufgeladen. «Dein Rang ist hoch?»
Er zieht einen Mundwinkel hoch. «Ziemlich.»
«Was ist das für ein Orden?»
«Wir sind der geheime Orden der Shinanim.»
«Shinanim?», spreche ich das seltsame Wort nach.
«Wir sind die Nachfahren der Schutzengel.»
«Was?» Ich springe vom Bett auf. Das ist einfach zu viel für mich. Was hat er vorhin gesagt?
Ich bin nicht wie andere Menschen?
Aber ein Engel? Ich weiß nicht, warum es mir so viel schwerer fällt, an die Existenz von Engeln zu glauben als an Werwölfe. «Ihr seid wirklich Engel? So wie die Engel überall auf den Bildern hier in der Wohnung?»
«Nein, nicht so. Wir sind Engelskinder. Die Flügellosen. Wir haben nach so unendlich vielen Generationen nur noch ein winziges bisschen Engelsblut in uns.»
«Und ihr Engel –»
«Shinanim.»
«Ihr Shinanim seid also die Feinde der Werwölfe?»
«Wir sind die Beschützer der Menschen, während die Wölfe töten, sich nicht um das Leben scheren.»
Wut kocht in mir hoch. Die Welt ist nicht so schwarz und weiß, wie Elias sie gerne hätte. «Thursen hat sich auch um die Menschen gekümmert. Um die, die das Leben nicht mehr ausgehalten haben, die,
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