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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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Risse und zerfällt. Mondlicht hüllt uns ein. Und Zrrie stirbt nicht.
    Ich gehe zu Elias. «Was war das?»
    «Sie lebt», murmelt Elias.
    «Schon, aber – das geht nicht. Sie lebt, und das Tor, durch das sie ihre Kraft bekam, ist verbrannt.»
    «Ja», sagt er und lächelt.
    Ich weiß noch, wie Energie und Kraft von ihm zu mir geflossen sind. «Du hast ihr von deinem Leben gegeben?»
    Er lächelt, nickt und legt mir einen Finger auf die Lippen. Nie hat er mehr wie ein Engel ausgesehen. Genau wie der Engel in der Weihnachtsgeschichte, wenn er zu den Hirten sagt: «Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude.» Er ist ein wahres Engelskind. Auch wenn seine ganze Engelskraft nun in Zrrie ist.
    Zrrie. Sie lebt jetzt von der Kraft des Himmels, nicht der der Erde.
    Ich falle ihm um den Hals; und weine schon wieder. Aus Dankbarkeit. Darum hat Thursen Elias geholt. Er ahnte, was Elias und nur Elias vermag.
    Elias hält mich fest. Und hält sich an mir fest, so erschöpft ist er.
    Da warnt Thursen: «Shinanim!»
    Elias hebt müde den Kopf und lauscht. «Verstärkung. Die wissen noch nicht, dass alles vorbei ist.»
    «Bring Zrrie weg, Edgar!», sagt Thursen.
    Edgar hilft Zrrie, sich aufzurichten, und Hand in Hand verschwinden sie im Gehölz. Werden die Shinanim nach Edgar suchen? «Was werden sie denken, wo das Licht herkam?»
    «Vielleicht glauben sie, dass ich das war? Es würde, nun ja, meinen Zustand erklären», sagt Elias.
    Dann kommen die Shinanim zwischen den Baumstämmen hervor auf uns zu. Viele. Fast so viele wie damals in der Waldbühne. Norrock stützt sich schwankend auf Rieke und Thursen. Eingefallene Wangen hat er, mehr noch als vorher schon. Er sieht entsetzlich alt und müde aus. «Was wollt ihr von meinem Rudel?», fragt Norrock. Hustet und räuspert sich, um halbwegs klare Töne hervorzubringen.
    «Wir wussten, dass ihr euch hier irgendwo verbergt. Wo ist Vittorio?»
    Norrock zieht einen Mundwinkel hoch zu einem mühsamen, schiefen Grinsen. «Tot.»
    «Also habt ihr ihn getötet?»
    «Er ist gestorben, als er das Tor zur Unterwelt zerstört hat, Nathanael. Felicity ist im Kampf gefallen.» Elias schiebt sich an Norrock vorbei. «Seht sie euch an, sie sind wieder Menschen. Es ist vorbei.»
    «Was tust du hier? Auf welcher Seite stehst du, Elias?», fragt der, der Nathanael heißt.
    «Auf der richtigen. Und jetzt nehmt Felicitys Leichnam, geht und lasst diese Menschen in Ruhe.»

[zur Inhaltsübersicht]
    60. Thursen
    ICH lege meine Arme um Luisa und ziehe sie an mich. Sie küsst mich auf diese spezielle Weise, wie nur sie es kann. Sanft und doch so, dass ich es im ganzen Körper spüre. «Es ist vorbei», sage ich. «Wir sollten nach Hause gehen.»
    «Wir müssen jetzt zurück, oder?», fragt sie.
    Es gibt keine Werwölfe mehr und kein Tor, das wir bewachen müssen. Ich bin von meinem Eid entbunden. Und es gibt keine Fluchtmöglichkeit mehr. Kein geheimes Wolfsrudel im Wald, bei dem man sich verstecken kann, wenn man das Leben nicht mehr aushält. Ihr geht es offenbar ebenso. «Du zitterst», flüstere ich. «So schlimm?»
    Sie nickt, schmiegt sich noch tiefer in meine Arme. «Ich kann nicht zurück in die Stadt. Nicht so. Ich fühle mich, als sollte ich nackt in der Schule vor der Klasse stehen. Albern, nicht?»
    «Nein. Nicht albern.» Manchmal geht es mir genauso.
    «Ich sehe aus wie, na ja, obdachlos eben. Wie jemand, von dem man so viel Abstand hält wie möglich. Wie stellst du dir das vor, Thursen?»
    «Meine Güte, Luisa. Du tust so, als hättest du nie ein anderes Leben gehabt als das hier im Wald.»
    «Was meinst du?»
    «Du bist doch nicht obdachlos. Vielleicht warst du als Werwolf für kurze Zeit an den Wald gebunden, aber nicht jetzt, nicht als Mensch. Du wohnst hier in Berlin. Du hast ein Zuhause: Dusch, zieh frische Sachen an und komm in dein Leben zurück.»
    «So?» Sie zupft an ihren Haaren.
    Ja, gut, sie sind ungewaschen. So lange ging es nur ums Überleben, was interessierte da die Frisur? «Es ist Nacht, und du trägst doch bei der Kälte eh deine Mütze.» Ich küsse sie auf die Nase.
    «Wenn du mich noch küsst, kann das mit dem Stinken wohl doch nicht so schlimm sein.» Sie lächelt.
    «Keine Angst. Ich komme ja mit dir.»
    Sie reibt ihre Wange an meiner Schulter wie ein Kätzchen. «Lass uns wenigstens bis morgen früh warten.»
    Ich schüttele den Kopf. «Jetzt gleich. Nicht noch eine Nacht in der irrsinnigen Kälte. Und die anderen hier, die keine warme Wohnung

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