Schattenblüte. Die Erwählten
schmerzhaft sein, wenn unser Licht und ihre Schatten aufeinandertreffen.»
«Ich bin vorsichtig. Ich zieh sie an dem Netz raus, in das sie gefesselt ist.» Scharrend wird die Decke weggezogen.
Licht fällt in mein Gefängnis. Es wird hell, endlich, doch gleich viel zu hell! Ich reiße den Arm vor die Augen, um mich zu schützen, da öffnet jemand die Kiste. Und so schnell ich kann, krieche, taumle ich heraus. Kann keinen klaren Gedanken fassen. Blind bin ich vom Licht, meine Hand berührt eiskalten Marmorboden.
«Die ist ja Mensch!», höre ich den Mann.
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13. Elias
FELICITY biegt von der Straße ab, wir rollen in eine Einfahrt und halten vor einer geschlossenen Schranke neben einem Pförtnerhaus. Mir kommt das hier alles vage bekannt vor. War das hier nicht früher ein Krankenhaus, stillgelegt seit langem? Doch hinter dem Glasfenster sitzt dennoch ein Pförtner. Felicity betätigt die Lichthupe. Der Mann sieht kaum auf und hat seine Hand schon gehoben für einen gelangweilten Gruß, da hält er inne. Offenbar hat er erst jetzt erkannt, wen er vor sich hat. Er drückt rasch auf einen Knopf vor ihm, und ehe sich noch die Schranke ganz gehoben hat, springt er auf, richtet seine Jacke, läuft aus seinem Häuschen und verbeugt sich neben unserem Wagen.
Ja, ich kenne das Gelände tatsächlich. Das hier gehört den Shinanim? Ich war schon einmal hier, vor Jahren, als mein Bruder Nick einen Unfall hatte. Es ist beim Spielen passiert. Wir tobten die Straßen entlang und lieferten uns einen wilden Kampf. Ich war Superman, Nick der Dunkle Rächer, fast hätte er gewonnen, wäre er nicht im letzten Moment ausgerutscht. Er hat sich das Knie verletzt, das daraufhin blau wurde und anschwoll. Hier, in der Orthopädischen Klinik, wurde er behandelt. Als er wieder rauskam, hat er mir das «Kryptonit», einen grünen Glasblock, geschenkt, damit Superman den Dunklen Rächer nie wieder besiegen kann. Mein Gott, ich vermisse den Nick von damals. Seinen Glasklotz habe ich als Erinnerung daran noch heute auf dem Schreibtisch stehen. Damals herrschte in den grauen Gebäuden noch Leben. Doch erst als wir das Pförtnerhaus passiert haben, erkenne ich das wahre Ausmaß der Veränderung. Hier, wo eine verlassene Klinik in einem alten verwahrlosten Park auf eine neue Bestimmung warten sollte, steht auf einmal, wie aus den Wolken gefallen, diese riesige weiße Villa zwischen den alten Bäumen. Wie geht das so schnell?
Esther bemerkt mein Staunen. «Unsere Architekten waren fleißig und haben genau das entworfen, was wir benötigen. Neben dem Hauptbüro am Potsdamer Platz brauchten wir einen zweiten, weniger auffälligen Standort für besondere Aufgaben. Es ist uns gelungen, Handwerker zu finden, die unsere Ideen schnell und reibungslos umgesetzt haben. Und natürlich haben die uns bekannten Verantwortlichen bei der Stadtverwaltung, die den Abriss des alten Gebäudes und diesen Neubau im Eilverfahren genehmigt haben, ebenfalls alles getan, was in ihrer Macht stand. Unsere Aufgaben benötigen den bedingungslosen Einsatz aller.»
«Bedingungsloser Einsatz», murmele ich und denke daran, wie hilfreich es ist, dass manche Ordensmitglieder genug Macht haben, den Gedanken der Menschen einen kleinen Anstoß in die richtige Richtung zu geben.
Vittorio lächelt. «Du weißt doch, unsere Vorhaben können nur gelingen, wenn alle Mitglieder den Orden unterstützen, Elias.»
«Das weiß ich», versichere ich. «Zweifelt Ihr etwa an meiner Überzeugung? Ich habe den Orden immer bedingungslos mit all meiner Kraft unterstützt.»
«Sonst säßest du nicht in diesem Auto.» Vittorio nickt zufrieden. «Wir bauen auf dich, Elias.»
In diesem Moment erinnert er mich an meinem Vater, der mir zu meinem achtzehnten Geburtstag das erste Aktienpaket seiner Firma schenkte. Ich sollte mich mit meinem zukünftigen Erbe vertraut machen, denn mein Vater hoffte, ich würde später die Firma übernehmen. Diese und die Aktien zu meinem neunzehnten Geburtstag blieben die einzigen, danach war selbst ihm klar, dass ich bald ganz zu den Shinanim gehören würde und er sich einen anderen Nachfolger suchen musste. Ich bin meinem Vater dankbar für meine finanzielle Unabhängigkeit, doch meine Zukunft lag nie in seinem Unternehmen. Hier in diesem Auto sitzen diejenigen, die ich wirklich zu beerben wünsche.
«Willkommen in unserem Haus, Vittorio», sagt der Shinan in Livree, der uns entgegeneilt, als wir aussteigen. «Es ist alles unkompliziert
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