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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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ich Vittorio versprochen habe, und versuche ruhig zu atmen. «Warum tust du das?»
    Nick grinst. «Jetzt guck dich mal an, deine Hände sind Fäuste und deine Augen ganz zusammengekniffen. Na, wie fühlt es sich an, wenn man hilflos ist?»
    «Nick, du musst damit aufhören. Du benutzt diese Mädchen doch nur, um mich zu verletzen.»
    Er legt mir die Hand auf die Schulter. «Nimm dich nicht zu wichtig, Elias. Nicht alles dreht sich um dich. Es macht Spaß. Ich habe Macht, richtige Macht. Meine Jungs tun, was ich sage, und die Mädchen flehen mich an, dass ich meine Jungs aufhören lasse. Die Schlampen würden alles tun, damit ich sie gehen lasse, alles.»
    Mein Gott, ich würde ihm jetzt gerne meine Faust ins Gesicht –
    Er klemmt sich die Zigarette in den Mundwinkel und winkt einladend mit den Händen. «Na los, schlag mich!»
    Er kennt mich zu gut. «Nein.»
    «Was willst du dann tun?»
    «Ich bin nicht dein Richter.»
    «Laber nicht so geschwollen.» Er legt die brennende Zigarette irgendwo zwischen benutzten Gläsern und leeren Bierflaschen ab, kommt zu mir in den Flur und lehnt sich mit dem Rücken an die gegenüberliegende Wand. «Was, wenn ich mal deinem Vater zeige, was Angst ist? Ich würde ihn auch filmen, damit du nichts verpasst. Willst du mir deine Internetadresse dalassen, damit ich dir das Video gleich zuschicken kann?»
    «Nick, bitte hör auf!» Meine Hände beginnen zu kribbeln. Wütend erwacht das Shinan-Feuer in mir. Es ist lange her, dass ich etwas verbrannt habe, ohne es zu wollen, aber jetzt bin ich kurz davor.
    «Was meinst du, was Mutter sagt? Ob sie den Kerl, der dich in die Welt gesetzt hat, immer noch so toll findet, wenn er Blut und Zähne spuckt und ihr dann heulend vor die Füße kotzt?»
    Ich versuche ruhig zu atmen. Denke an den Erzengel Gabriel, der bei uns in der Wohnung an der Wand hängt. An Michael, den Vittorio mir ins Zimmer gehängt hat. Gabriel und Michael hätten bestimmt nicht wütend gebrüllt und um sich geschlagen. «Die Werwölfe jagen dich, Nick.»
    «Sag jetzt nicht, du hoffst, dass sie mich erwischen. Denn wenn sie mich zerfetzen, was sagst du dann deinen Eltern? Deinem Vater und der Mutter, die du mir gestohlen hast?»
    Ich packe ihn bei den Schultern und drücke ihn gegen die Wand. «Du lässt unsere Eltern aus dem Spiel!»
    «Sonst was?» Er schüttelt sich. «Und nimm deine Hände von mir.»
    Ich lasse ihn los, da sind braune Brandflecken auf seinem Pullover, ich hebe die Hände und gehe einen Schritt zurück. Ich muss mich beherrschen. Ich bin ein Shinan und kein Straßenschläger.
    «Braver Elias!» Er grinst, macht blitzschnell einen Schritt vor und rammt mir seine Faust in den Magen. «Siehst du, wenn man kein Gewissen hat, lebt es sich viel leichter.»
    Ich greife nach dem Türgriff und bin in der nächsten Sekunde im Hausflur. Sein Schlag hat mich nicht einmal verletzt. Nicht körperlich jedenfalls. Er hat wieder einmal mit mir gespielt. Er weiß, dass er mich im Kampf nicht wirklich verletzen kann, und dass es mich viel mehr ärgert, wenn ich die Beherrschung verliere. Es ist ihm wieder einmal gelungen. Ich möchte schreien und um mich schlagen wie ein wildes Tier in der Falle. Es heißt, wir Shinanim werden nicht wütend – dank dem Erbe unserer Vorfahren, dem Engelsblut. Engelsgeduld.
    Sollen ihn die Werwölfe doch in Stücke reißen! Sollen sie ihm auflauern, ihn zu Tode ängstigen und ihm dann die Kehle durchbeißen.
    Die Gedanken sind frei.
    Langsam steige ich die Stufen hinab, ohne das hölzerne Treppengeländer zu berühren. Immer noch bin ich damit beschäftigt, die Hitze in meinen Händen zu zähmen. Womöglich würde ich mit meinen glühenden Handflächen den Lack auf dem Geländer wegbrennen. Ich habe keine Engelsgeduld. Nick hat mir wieder einmal den Beweis geliefert. Vielleicht bin ich gar kein richtiger Shinan.
    Ich bin froh, dass ich rechtzeitig aus der Wohnung entkommen bin, ehe ich mich vergessen habe. Draußen vor dem Haus springt mich die Kälte an. Doch sie ist diesmal hilfreich wie ein Freund und kühlt mein wütendes Engelsfeuer. Ich brauche mehr Zeit und Geduld.
    Den Weg zum Auto gehe ich langsam. Ob er mich durch eines der Fenster beobachtet? Ob er sich daran freut, dass er gewonnen hat, mich hat vergessen lassen, was ich bin, wieder einmal?
    Ich habe kaum den Autoschlüssel herumgedreht, da klingelt mein Handy. Adrians Name erscheint im Display. Ich tippe auf die Freisprecheinrichtung.
    «Na, Elias, wie war es mit deinem

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