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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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nicht gerade wahnsinnig scharf darauf war? Trotz seines
    Vollrauschs neulich Nacht hatte Jeffrey gewusst, dass Sara
    keine Lust hatte, aber er hatte sie doch dazu überredet.
    So verzweifelt hatte er die Erlösung gebraucht – diesen
    Moment, in dem alles gut zu sein schien –, dass ihm egal gewesen war, ob sie ihm nur einen Gefallen tat.
    So hatte es Julia Kendall immer genannt, einen Gefal‐
    len. Jeffrey erinnerte sich noch an ihren Blick, als sie mit der billigen Kette herumspielte und fragte: «Hey, Slick,
    soll ich dir einen Gefallen tun?»
    Vor dem Höhleneingang blieb Jeffrey stehen. Die Bret‐
    ter waren rausgerissen worden, wahrscheinlich als Hoss
    das Skelett rausgeholt hatte. Julias Skelett. Jeffrey zögerte.
    Die Höhle war nun ein Grab und nicht mehr das Refugium
    seiner Jugend. Er ging hinein, denn im Moment konnte er
    sich keinen passenderen Ort für sich vorstellen.
    In der Höhle setzte er sich auf die Bank und dachte wieder an Sara. Sie hielt ihn für schuldig, und warum auch nicht? Die Dinge, die sie von den Leuten hier hörte, waren schrecklich – und manches davon war wahr. Gott allein
    wusste, was Nell ihr im Moment für neue Flausen in
    den Kopf setzte. Damals, als Julia verschwand, war Nell
    plötzlich anders zu ihm gewesen. Sie hatte sich zurück‐
    gezogen, als vertraue sie ihm nicht mehr. Drei Wochen
    vor der Abschlussfeier hatte sie dann in der Turnhalle mit ihm Schluss gemacht. Sie hatte ihn angeschrien wie einen

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    Hund. Mann, wie hatte sie ihn gehasst an jenem Tag. Jeffrey wusste bis heute nicht, was er eigentlich verbrochen hatte.
    Er war aus der Turnhalle gestürmt und mit Julia zusam‐
    mengestoßen. Sie war erst seit kurzem zurück und sollte
    ihrer Mutter mit dem neugeborenen Baby helfen. Lane
    Kendalls Mann war tot, und Lane brauchte jede Hilfe, die sie kriegen konnte. Trotz der Verleumdungen im Jahr zuvor hatte Julia ihn nach dem Zusammenstoß vor der Turn‐
    hallentür gefragt, ob sie ihm einen Gefallen tun solle.
    «Warum nicht», hatte er gesagt.
    Die Vergewaltigungsgerüchte waren verebbt, nachdem
    Julia zum ersten Mal die Stadt verlassen hatte. Es hatte ohnehin keiner daran geglaubt. Julia hatte mit zu vielen
    Jungs hier geschlafen, als dass sich die Leute vorstellen konnten, jemand hätte sie dazu zwingen müssen. Warum
    sollte jemand Gewalt anwenden, wenn er das Gleiche auch
    auf die sanfte Tour kriegen konnte?
    «Tut mir Leid wegen damals», erklärte Julia, als sie ihm durch den Wald zur Höhle folgte. «Ich wollte euch nicht in
    Schwierigkeiten bringen.»
    «Du hast uns nicht in Schwierigkeiten gebracht.»
    Sie lachte. «Das glaube ich», sagte sie, «Der alte Hoss
    kann es nicht ausstehen, wenn euch jemand was anhängen
    will.»
    Jeffrey antwortete nicht. Sie hatten die Höhle erreicht,
    und er schob die Ranken vor dem Eingang weg.
    «Da drin ist es aber dunkel.»
    «Willst du, oder willst du nicht?», sagte er und gab ihr einen Schubs. Mit siebzehn hatte Jeffrey die hohe Kunst
    der Verführung noch nicht erlernt. Verdammt, er hatte
    nicht mal gelernt, sein Gehirn zu benutzen, wenn sich das 373
    Blut in seinem Körper an der einen Stelle staute. Damals vor der Höhle, mit der Aussicht, dass Julia in wenigen Minuten die eine Sache machen würde, die Nell nicht machte,
    war seine Hose so eng, dass er sich kaum rühren konnte.
    «Bist du noch böse auf mich?», fragte sie und musterte
    seine Hose mit einem neugierigen Lächeln. «Vielleicht
    sollte ich lieber nicht da reingehen.»
    «Wie du willst», sagte er und ging voraus. Seine Erek‐
    tion war so schmerzhaft gewesen, dass er überrascht war,
    noch sprechen zu können.
    Jetzt sah sich Jeffrey in der Höhle um und versuchte
    daran zu denken, wie es mit Sara hier gewesen war. Auf
    jeden Fall schöner als mit Julia. Julia war ihm schließlich in die Höhle gefolgt, doch nach ein paar Minuten brach sie
    in Tränen aus und sagte, sie habe ihr Leben versaut. Sie entschuldigte sich nochmal dafür, was sie über Jeffrey und
    Robert erzählt hatte. Doch Jeffrey wurde wütend, er hatte
    einen Blowjob gewollt und nicht ihre verdammte Lebens‐
    geschichte.
    Julia wollte ihn küssen, doch Jeffrey weigerte sich. Ihr
    Mund kam ihm plötzlich hässlich vor, und er konnte nur
    noch daran denken, wie viele Kerle schon vor ihm da ge‐
    wesen waren. Schließlich schickte er sie weg. Als sie sich weigerte, war er gegangen. Und als er sie das nächste Mal
    wieder sah, waren nur noch die Knochen von ihr übrig. Sie
    lag auf

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