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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Widerwillig sagte er: «Hast du
    die Hülsen auf Fingerabdrücke untersucht?»
    Diesmal unterdrückte Reggie seinen Ärger nicht. «Na‐
    türlich.» Dann fügte er hinzu: «Die Waffen auch. Die

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    Glock ist auf Robert eingetragen. Es ist seine Dienstwaffe.
    Bei der Beretta ist die Seriennummer abgeschliffen.»
    Hoss nickte und steckte die Hände in die Hosentaschen.
    Sara fragte White: «Haben Sie Handschuhe?» Er holte
    eine Schachtel Gummihandschuhe aus dem Schrank über
    dem Waschbecken. Die Männer beobachteten, wie Sara
    zwei Paar Latexhandschuhe übereinander zog. White
    rollte den Wagen mit dem Besteck herbei. Sara war froh,
    dass sie darunter ein Seziermesser, Scheren, Skalpelle und die anderen Instrumente fand, die sie für die Obduktion
    benötigte.
    «Ich helfe Ihnen», sagte White. Zusammen schlugen sie
    das Laken zurück, das die untere Hälfte von Luke Swans
    Körper bedeckte. Man hatte ihm Jeans und Unterhose aus‐
    gezogen. Swan war ein kleiner Mann, höchstens eins sieb‐
    zig, und wog knapp sechzig Kilo, wobei sein Körper nichts von der Grazie aufwies, die sein Nachname versprach.
    Auch wenn sein blondes Haar schulterlang war, hatte er
    kaum Körperbehaarung, und selbst sein Schamhaar wuchs
    spärlich. Sein Penis war leicht angeschwollen, an den auf-gedunsenen Hoden waren geplatzte Äderchen zu sehen. Er
    hatte dünne Beine und eine lange Narbe an der Außenseite
    seines linken Oberschenkels. Sara schätzte, dass sie noch
    aus der Kindheit stammte. Damals musste es eine böse
    Verletzung gewesen sein. Aus irgendeinem Grund musste
    sie an Jeffreys Narbe denken, und sie fragte sich, was in Jeffrey vorgegangen war, wenn sein Vater ihn schlug.
    «Würde es Ihnen etwas ausmachen mitzuschreiben?»,
    bat sie Paul.
    «Nein, Ma'am», antwortete er und blätterte eine neue
    Seite in seinem Notizheft auf.
    «Er ist wie alt?»

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    Paul sagte: «Vierunddreißig.»
    Sie nickte. Das Alter passte zu dem Körper, der hier vor ihr lag. Sie diktierte, was sie bis jetzt herausgefunden
    hatte, und wartete nach jeder Information, dass Paul fertig
    wurde mit Schreiben. In Grant County hatte sie ein Dik‐
    taphon für ihre Berichte. Sie war es nicht gewohnt, ihren natürlichen Rhythmus bei der Untersuchung zu unterbre-chen.
    «Die Haut ist trocken, wahrscheinlich Nährstoffman‐
    gel», sagte sie und tastete seinen Arm ab. «Einstichlöcher am rechten Arm, wahrscheinlich ein paar Jahre alt.» Spontan untersuchte sie den Bereich zwischen den Zehen. «Fri‐
    sche Ein Stichwunden.»
    «Was sagen Sie?», unterbrach sie Hoss.
    Jeffrey erklärte: «Er hat sich die Drogen zwischen die
    Zehen gespritzt, damit nicht jeder sieht, dass er an der Na‐
    del hängt.» Zu Sara sagte er: «Das erklärt das ATP.»
    «Je nachdem, was er genommen hat.» Sie fragte Dea‐
    con: «Haben Sie Blut‐ und Urinproben genommen?»
    Der Mann nickte. «Es dauert aber ein, zwei Wochen, bis
    wir sie zurückbekommen.»
    Sara biss sich auf die Zunge, doch Jeffrey hakte nach:
    «Lässt sich das nicht beschleunigen?»
    Hoss sagte: «Das kostet.»
    Jeffrey zuckte die Achseln, und Hoss nickte White zu,
    um ihm grünes Licht zu signalisieren.
    Sara setzte die äußerliche Untersuchung fort, ohne et‐
    was Bemerkenswertes zu finden, außer einer sternförmi‐
    gen Wunde am rechten Fußknöchel.
    Sie bat Deacon White: «Würden Sie mir helfen, die
    Faust zu öffnen?»
    Er zog sich ein Paar Handschuhe über, und alle beobach‐

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    teten, wie Deacon White versuchte, die Finger aufzubre‐
    chen. Als die Hand nicht nachgab, veränderte er seine Position. Er machte einen Ausfallschritt und drückte seinen
    Daumen mit aller Kraft in die kleine Öffnung zwischen
    Swans Daumen und Zeigefinger. Als er sich mit dem gan‐
    zen Oberkörper hineinlehnte, brach der Finger endlich
    auf. Der nächste ließ sich schon leichter öffnen, und so stemmte er nach und nach alle Finger auf. Es hörte sich an
    wie knackende Äste.
    «Nichts», sagte White. Er beugte sich über die Hand,
    dann trat er einen Schritt zurück, damit Sara besser sehen konnte. Swans Fingernägel hatten sich in das weiche Fleisch
    seiner Handfläche gegraben, ansonsten war die Hand leer.
    White fragte: «Todeskrampf?»
    «Das kommt sehr selten vor», antwortete Sara und sah
    sich noch einmal die Brust an, wo die Hand gelegen hatte.
    «Er hat auf seiner Faust gelegen. Vielleicht hat das Ge‐
    wicht seines Körpers die Finger zusammengedrückt, und
    dann hat die Totenstarre eingesetzt.»

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