Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
Mar‐
    moradern im Fels. Deswegen ist die Luft hier so kalt.
    Frierst du?»
    «Nein, ich bin nur klitschnass.»
    Er zog sie näher an sich, und sie legte den Kopf in die Kuhle unter seinem Hals. Alles war gut, wenn sie nur so dasitzen konnte, bis das Unwetter vorbeigezogen war.
    Er fuhr fort. «Die Bank haben wir aus einem alten Auto
    auf dem Schrottplatz geklaut. Possum hat wahrscheinlich
    immer noch die Narben am Hintern, wo ihn der Wach‐
    hund gebissen hat. Der Couchtisch ist vom Sperrmüll. Wir
    haben ihn drei Kilometer bis hierher geschleppt.» Er lachte
    gutmütig. «Wir dachten, wir sind die Könige.»
    «Ich wette, du hast deine Mädchen hierher gebracht.»
    «Machst du Witze? Die hatten doch alle Angst vor
    Spinnen.»
    «Spinnen?» Sie schrak zusammen.
    «Erzähl mir nicht, dass du plötzlich Angst vor Spinnen
    hast.»
    «Ich habe nur Angst vor Krabbeltieren, wenn ich sie
    nicht sehen kann.» Als er aufstand, fragte sie: «Wo willst du hin?»
    «Warte», sagte er nur, und sie hörte, dass er sich an der Höhlenwand entlangtastete. «Wir hatten hier mal eine
    Kaffeedose ...» Er wurde ruhig, und dann hörte sie das

    221
    Scheppern von Metall. «Aha. Hier sind noch mehr Streich‐
    hölzer. Possum hatte sie aus einem Comicheft. Angeblich
    wasserfest.»
    Sara zog die Füße an und saß kerzengerade auf ihrem
    Sitz. So verrückt es war, auf einmal hatte sie die unnatürliche Angst, dass jemand – oder etwas – die Hand nach ihr
    ausstrecken würde.
    «Mal sehen», sagte er und riss das Streichholz an. Sein
    Gesicht tauchte aus der Dunkelheit auf, als er die Flamme an eine Kerze hielt. Das Streichholz flackerte, und sie hielt die Luft an. Sie würde nicht atmen, bis der Docht brannte.
    «Unglaublich, dass sie immer noch funktionieren.»
    Im flackernden Licht sah Sara plötzlich eine Gestalt
    hinter ihm. Ihr Herz machte einen Aussetzer, und sie
    schnappte so laut nach Luft, dass Jeffrey erschrak und sich
    den Kopf an der Decke stieß.
    Dann drehte er sich um und schrie: «Großer Gott!»
    Er wich zurück, stolperte über den Couchtisch und
    stürzte zu Boden.
    Panisch griff Sara nach der Kerze. Sie verbrannte sich
    die Hand an dem heißen Wachs, doch sie schaffte es, die Flamme zu retten. Ihr Herz schlug so heftig, dass ihr der Brustkorb zu zerspringen drohte.
    «Gott», rief Jeffrey und klopfte sich die Jeans ab. «Was zum Teufel ist das?»
    Sara zwang sich aufzustehen, dann ging sie auf das Ske‐
    lett zu, das sie Sekunden zuvor so fürchterlich erschreckt hatte.
    Die menschlichen Überreste lagen auf einem Felsvor‐
    sprung wie auf einer Bank. Auch wenn die Knochen längst
    vergilbt waren, an ein paar Stellen waren noch Sehnen
    übrig; wahrscheinlich hatte sie die Kälte hier unten kon‐

    222
    serviert. Der linke Unterschenkelknochen fehlte mitsamt
    dem Fuß, ebenso wie einige Finger der rechten Hand.
    Selbst im schwachen Kerzenschein sah Sara, dass Nage‐
    tiere die Haut von den Knochen gefressen hatten. Sie hielt
    die Kerze an den Kopf, der zur Seite gerollt war und in einer Lücke zwischen zwei Steinen steckte. Der Schädel war
    auf der rechten Seite gebrochen und der Knochen einge‐
    drückt. Wahrscheinlich von einem schweren Gegenstand
    erschlagen.
    Als sie sich zu Jeffrey umdrehte, sah sie, wie er etwas in die Hosentasche steckte.
    Er klang distanziert. «Was ist?»
    Sara blickte wieder auf das Skelett. «Ich glaube, dieser
    Mensch ist ermordet worden.»

    223

KAPITEL DREIZEHN

    13.58 Uhr

    ena biss die Zähne so fest zusammen, dass es wehtat.
    Wagner
    L sagte nicht viel am Telefon, doch Lena und
    wahrscheinlich jeder andere in der Reinigung hörten, wie
    der Amokschütze am anderen Ende herumschrie.
    Auf die Frage: «Wollen Sie mir nicht sagen, wie Sie hei‐
    ßen?», bekam Wagner nur ein bellendes Lachen zur Ant‐
    wort. Als sie nach den Kindern fragte, quälte er ein kleines
    Mädchen, bis es ins Telefon weinte. Das Geheul hallte
    durch den Raum, und Lena hätte sich am liebsten die Oh‐
    ren zugehalten.
    Wagner blieb ganz ruhig. «Verstehe ich richtig, dass Sie
    die Kinder behalten wollen?»
    Er nuschelte eine Antwort, doch die letzte Forderung
    war laut und klar, umso mehr, da Wagner das Telefon
    von ihrem Ohr weghielt. «Eine Stunde, du Schlampe.
    Wenn ihr länger braucht, gibt es hier noch viel mehr
    Tote.»
    Trotz der Drohung lächelte Wagner, als sie das Telefon
    zuklappte. «Also gut», sagte sie. «Sie wollen Bier.»
    Lena machte den Mund auf, um sich freiwillig zu mel‐
    den,

Weitere Kostenlose Bücher