Schattenblume
Mögliche …» Was, führte sie nicht näher aus. «Aber ich fühle es hier drinnen.» Sie tippte sich an die Brust. «Ich fühle es an der Art, wie du Liebe mit mir machst, und daran, dass du deine Schuhe mit einem Doppelknoten schnürst, damit dieSchleife nicht aufgeht, und daran, wie du zuhörst – genau wie jetzt – und wirklich hören willst, was ich zu sagen habe, weil du ehrlich wissen willst, was ich denke.» Sie dachte an den Brief des Soldaten, den er ihr vorgelesen hatte. Es schien eine Ewigkeit her zu sein. Besser konnte sie es nicht erklären. «Und ich glaube, dass du mich auch so siehst.»
Er legte seine Hand auf ihre. «Diese Sache mit den Knochen. Es wird mächtig Wirbel geben.»
«Was meinst du?»
«Julia», sagte er. Offensichtlich fiel es ihm schwer, den Namen über die Lippen zu bringen. «Ich brauche dich hier, Sara. Ich brauche dich, weil nur du siehst, wer ich wirklich bin.»
«Sag mir, was los ist.»
«Ich kann nicht», sagte er. Sie glaubte, Tränen in seinen Augen zu sehen, doch er wandte den Kopf ab. «Es ist ein einziges Chaos», sagte er. «Ich dachte, Robert hat vielleicht …»
«Robert hat was?»
Sie sah, wie sich sein Adamsapfel bewegte, als er schluckte. «Robert sagt, er hätte sie umgebracht.»
Sara fasste sich ans Herz. «Was?»
«Das hat er gestern gesagt.»
«Gestern Morgen?»
«Nein. Nachdem wir die Knochen gefunden haben.» Sara wollte ihn darauf hinweisen, dass die Reihenfolge unlogisch war, doch Jeffrey fuhr fort. «Ich habe ihm die Kette gezeigt, und er hat gesagt, er hätte ihr mit einem Stein den Kopf eingeschlagen.»
Sara lehnte sich zurück. Sie versuchte zu verstehen, was er da sagte. «Hast du ihm von dem Schädelbruch erzählt?»
«Nein.»
«Woher kann er das gewusst haben?»
«Vielleicht von Hoss. Warum?»
«Weil es nicht die Todesursache war», sagte Sara. «Das mit dem Schädelbruch war mindestens drei Wochen vor ihrem Tod.»
«Bist du dir sicher?»
«Natürlich bin ich mir sicher», erklärte Sara. «Knochen sind lebendiges Gewebe. Der Bruch heilte bereits, als sie ermordet wurde.»
«Es sah aus, als hätte ihr jemand den Schädel eingeschlagen.»
«Das war nochmal was anderes. Vielleicht ein Stein aus der Höhle oder ein Tier …» Sie wollte ihm nicht erzählen, was die Tiere noch alles mit ihr angestellt hatten. «Kopf haut und Gewebe sind fort. Es ist nicht zu erkennen, ob sie kurz vor ihrem Tod auf den Kopf geschlagen wurde. Aber selbst wenn, das Zungenbein war gebrochen.»
«Das was?»
«Das Zungenbein», sagte sie und fasste sich an die Kehle. «Hier, ein u-förmiger Knochen in der Mitte. Und der bricht nicht einfach so. Man muss ordentlich zudrücken. Mit roher Gewalt. Erwürgt.» Sie beobachtete Jeffreys Reaktion. «Das Zungenbein war nicht nur angeknackst, es war in zwei Teile gebrochen.»
Er richtete sich auf. «Bist du dir ganz sicher?»
«Wenn du willst, zeig ich dir den Knochen.»
«Nein», sagte er und steckte die Kette in die Tasche zurück. «Warum hat er gesagt, dass er sie umgebracht hat, wenn es gar nicht stimmt?»
«Das frage ich mich auch.»
«Wenn er in dieser Sache lügt, vielleicht lügt er dann auch bei der anderen Geschichte.»
«Warum?», fragte Sara. «Warum sollte er überhaupt lügen?»
«Ich weiß es nicht», sagte Jeffrey. «Aber ich muss es rausfinden.» Er zeigte auf die Spüle. «Kannst du das fertig machen?»
Sara sah sich das Durcheinander an. «Wenn’s sein muss.»
Er stand auf, dann drehte er sich noch einmal um. «Sara, ich habe es ernst gemeint.»
Sie sah zu ihm auf. «Was hast du ernst gemeint?»
«Was ich gestern Abend gesagt habe», erklärte er. «Ich liebe dich.»
Zum ersten Mal nach den schrecklichen Ereignissen der letzten beiden Tage lächelte Sara. «Geh und rede mit Robert», sagte sie. «Ich mach das hier fertig, und dann sehen wir uns später bei Nell.»
KAPITEL ACHTZEHN
Dienstag
J effrey saß in Roberts Truck und klappte die Sonnenblende herunter, um im Gegenlicht etwas zu sehen. Er hatte keinen schlimmen Kater. Eins hatte er von May Tolliver und ihrem Mann Jimmy geerbt, für das er dankbar war: Solange er sich nicht völlig die Birne zuknallte, bekam er keinen Kater. Diese Gabe konnte jedoch auch ein Fluch sein. Im College trank Jeffrey alle unter den Tisch und absolvierte am Morgen trotzdem das Footballtraining mit links. Und während die meistens Jungs die Sauferei nach einem Semester aufgaben, damit sie nicht aus der Mannschaft flogen, brauchte
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