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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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als Molly flüsterte: «Lena!»
    Lena zwang sich, ihre Füße in Bewegung zu setzen. Sie versuchte, über Matt hinwegzusteigen, ohne hinzusehen, doch sie hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Ihre Turnschuhe hinterließen blutige Abdrücke.
    Im Gebäude war es mindestens zehn Grad wärmer als draußen auf der Straße. Hinter der Anmeldung stand einzweiter Bewaffneter, eine AK-47 lag auf dem Tresen. Auch er trug eine Skimaske, doch seine hatte einen sanduhrförmigen Ausschnitt im Gesicht, der ihm mehr Platz zum Atmen ließ. Seine Augen waren völlig ausdruckslos, und er sah Lena und Molly kaum an, als sie den Eingangsbereich betraten.
    Der Erste, wahrscheinlich Smith, versuchte die Tür zu schließen, doch Matt lag im Weg. Mit voller Wucht rammte er die Tür in die Leiche, aber der Tote bewegte sich nicht. «Scheiße», murmelte er und trat Matt in die Seite. Er trug Militärstiefel mit Stahlkappen, und es knackte laut, wahrscheinlich hatte er Matts Rippen gebrochen.
    Smith sagte: «Los, helft mir, den Wichser hier wegzuräumen.»
    Lena war wie angewurzelt mit dem Sandwich-Karton stehen geblieben. Molly sah sie panisch an, dann setzte sie die Kiste mit dem Wasser ab. Sie ging zu Matt, packte ihn an den Füßen und zerrte ihn hinein.
    «Nein», sagte Smith. «Raus. Wirf den Wichser raus.» Er wischte sich mit dem Arm über den Mund. «Der Wichser stinkt.» Als Molly zu Matts Kopf ging, trat Smith noch einmal zu. «Verdammter Drecksack», knurrte er, und in seiner Stimme lag eine Schärfe, die Molly Angst einflößte. Er holte aus und trat Matt mehrmals in die Eier. Das tote Fleisch gab kaum nach, und das Geräusch erinnerte Lena an Nan, wenn sie im Garten mit dumpfen Schlägen den Teppich ausklopfte.
    Nach einem letzten Tritt knurrte er Molly an: «Worauf wartest du noch? Schaff den Drecksack raus.»
    Man konnte sehen, dass Molly nicht wusste, wo sie zupacken sollte. Wie immer trug Matt ein kurzärmeliges weißes Hemd und eine Krawatte aus der Zeit, als JimmyCarter noch im Weißen Haus saß. Das Hemd war blutgetränkt, und an den Armen klafften neue Wunden, wo Smith zugetreten hatte. Die frischen Verletzungen hatten eine seltsam violette Farbe und bluteten nicht.
    Smith stieß Molly mit dem Stiefel an. Molly wich verängstigt zurück. Sie versuchte Matt am Hemd zu packen, doch es riss. Die Knöpfe sprangen klimpernd über den Fußboden, und Matts weißer Fischbauch quoll über den Hosenbund. Schließlich griff Molly ihm unter die Achseln und zog.
    Die Leiche bewegte sich keinen Zentimeter, und gerade als Smith ihr wieder einen Tritt geben wollte, sagte Molly: «Nein.»
    Smith schien seinen Ohren nicht zu trauen. «Was hast du da gesagt?»
    «Tut mir Leid», sagte Molly und blickte an sich hinunter. Ihr Kittel war mit schwarzem Blut verschmiert. Sie sah Lena an: «Um Himmels willen, hilf mir doch endlich.»
    Lena sah sich um, als wüsste sie nicht, wo sie den Karton abstellen sollte. Sie wollte Matt nicht anfassen. Sie konnte seine Leiche nicht anfassen.
    Smith richtete die Wingmaster auf sie. «Mach schon.»
    Lena stellte die Kiste ab. Ihre Lungen rasselten beim Atmen. Sie presste die Kiefer zusammen, damit ihre Zähne nicht klapperten. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie solche Angst gehabt. Warum? Es hatte Zeiten gegeben, als sie den Tod begrüßt, sich sogar nach ihm gesehnt hatte. Doch in diesem Moment hatte sie panische Angst zu sterben.
    Irgendwie schaffte sie es, sich vor Matts Füße zu knien. Sie starrte die billigen schwarzen Halbschuhe an, den ausgefransten Saum seiner alten Hose, die schmutzig grauenSportsocken, die einmal weiß gewesen waren. Molly zählte bis drei, dann hoben sie die Leiche an. Ein Hosenbein rutschte hoch und legte den Knöchel frei. Lena starrte auf die bleiche Haut, die Falten warf, als sich der Fuß in ihren Bauch drückte. Sie dachte an das Baby in ihr und fragte sich, ob es spürte, wie nah es dem Tod gerade war. Sie fragte sich, ob der Tod ansteckend war.
    Ein Stück von der Eingangstür entfernt legten sie Matt auf den Bürgersteig. Smith beobachtete jede ihrer Bewegungen. Er grinste zufrieden, und Lena musste gegen den Drang ankämpfen wegzulaufen, als sie Molly in die Wache zurück folgte. Erst als sie wieder drin waren, begriff sie, was gerade passiert war. Smith hatte Wasser und Lebensmittel. Er hätte ihnen einfach die Tür vor der Nase zuschlagen können. Er hätte ihnen in den Kopf schießen können oder sie zum Teufel jagen, doch er tat nichts

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