Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
Roggenbrot besorgen?«
Jason warf ihm ein in Zellophan gehülltes Päckchen zu. »Dein Wunsch ist mir Befehl, Boss.«
»Das ist schön zu hören. Jetzt sag mir, wer Lucas ist.«
»Ich habe gerade mit der Gefängnisbehörde telefoniert. In Moyers Akte zu dem bewaffneten Raubüberfall befinden sich keine Mittäter unter diesem Namen. Keine Zellengenossen in Mansfield. Er saß nur acht Monate deswegen, teils wegen Gefängnisüberfüllung, teils wegen guter Führung, teils wegen wackliger Zeugenaussagen, was seine Bewaffnung während des Überfalls anging.« Jason unterbrach sich, um gierig aus einer Dose Cherry Coke zu trinken. »Theresa? Wollen Sie ein Sandwich?«
Allein der Gedanke an Essen bereitete ihr Übelkeit. »Nein danke, mir geht es gut.«
»Dann wurde er festgenommen, weil er die Bewährungsauflagen verletzt hat.«
»Was hat er getan?«, fragte Cavanaugh und atmete dabei eine Roggenwolke in Theresas Richtung aus.
»Hat von einem Gangmitglied in den Flats Kokain gekauft. Er hat sein Glück bei der ersten Verurteilung aufgebraucht, weshalb er jetzt nicht nur sechs Monate bekommen hat, sondern auch noch in einer Testgruppe zur Gefängnisreform gelandet ist. Die Theorie dahinter ist folgende: Das Gefängnis dient nicht der Rehabilitation, weil die Insassen sowieso nur wieder mit ihren alten Kumpels zusammenkommen, die in denselben Gangs organisiert sind, und wenn sie dann rauskommen, drehen sie mit denselben alten Kumpels in denselben alten Gangs einfach neue Dinger. Wenn man die Sträflinge an einen Ort schickt, an dem sie niemand kennen und auf sich allein gestellt sind, dann sind sie nach ihrer Entlassung weniger gefährdet, in ihr altes Leben zurückzufallen.«
»Das ergibt fast Sinn.«
»Wie bei allen großen sozialen Experimenten wird man den Erfolg oder Misserfolg erst mit der Zeit sehen.«
»Und dort hat er dann Lucas getroffen.«
Jason zuckte mit den Schultern. »Entweder das, oder Lucas ist nicht sein richtiger Name.«
»Und wo ist diese weit entfernte Besserungsanstalt?«
Theresa rieb sich erneut den Nacken und versuchte zu verhindern, dass sich dessen Steifheit auf ihr Gehirn ausbreitete. »Ich wette, ich weiß es.«
»Hey!« Kessler starrte auf den Bildschirm. »Ich glaube, da passiert etwas.«
12
11:20 Uhr
Paul beobachtete, wie der große Bankräuber langsam vor ihnen auf und ab ging. Wenigstens hatte er den Lauf des M4-Karabiners auf den Boden gerichtet. Er blieb kurz vor Paul stehen.
»Sie!«
Das war an den Schwarzen neben ihm gerichtet, der in der grünen Uniform. Paul fühlte sich unendlich erleichtert und hasste sich gleichzeitig dafür.
»Was arbeiten Sie hier in der Bank?«
Der ältere Mann stellte sich als Thompkins vor und erklärte, dass er im Support Service arbeite. »Ich staubsauge und leere Abfalleimer. Ich bin wohl so etwas wie ein Hausmeister.«
»Mhmm.« Lucas nickte. Er trug immer noch seine Baseballkappe; das Abzeichen darauf stellte einen roten Adler dar. »Ich schätze mal, dass ich mich mit Ihnen verbunden fühlen sollte, so unter uns Unterklassearbeitern/unterdrückten Minderheiten. Doch daran denke ich gerade nicht, Mr. Thompkins, sondern, dass Sie vielleicht der wertvollste Mensch in diesem Gebäude sind, weil Hausmeister sich überall bewegen. Müssen sie ja, wenn sie alle Abfalleimer leeren sollen. Sie haben Zugang zu Räumen, wo selbst Vizepräsidenten nicht hineindürfen, Sie verstehen, worauf ich hinauswill?«
»Ich würde das, was Sie tun, nicht unbedingt als Arbeit bezeichnen.« Der Blick des alten Mannes war so aufrecht und unbeirrt wie seine Haltung. »Wirklich nicht.«
Alle versteiften sich merklich, auch Paul. Seine Beine zitterten nach den langen Stunden des Stillsitzens. Wenn er sie überwältigen müsste, würde er überhaupt schnell genug auf die Füße kommen? Sollte er es versuchen? Was wäre mit Theresa?
Lucas’ Unterkiefer zuckte kurz, als er die Zähne zusammenbiss, und entspannte sich schließlich wieder. »Da haben Sie Recht. Ich gebe zu, dass ich ehrliche Arbeit hinter mir gelassen habe. Aber das wird es wert sein. Wer nichts riskiert, kommt auch zu nichts. Wie lange arbeiten Sie schon hier?«
»Fünfundzwanzig Jahre.«
»Du liebes bisschen, das ist beeindruckend. Sie kennen dieses Gebäude dann wohl ziemlich gut, oder? Zögern Sie nicht, Mr. Thompkins, wenn das bedeutet, dass Sie überlegen, mich zu belügen. Das wäre keine gute Idee.«
Ein Schweißtropfen rann langsam an der linken Schläfe des Hausmeisters entlang.
Weitere Kostenlose Bücher