Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
wissen, sollen sie noch mal jemanden zu den Nachbarn beordern.«
Theresa trank von ihrem Wasser und beobachtete dabei den Monitor. »Das Kind dieser Frau wird von einem Gewehr bedroht, und sie weiß noch nicht mal, dass ihr Mann tot ist.«
»Ich habe bisher noch kein Kind bei meiner Arbeit verloren, und ich habe auch nicht vor, heute damit anzufangen.«
»Du hast bisher noch niemanden verloren«, sagte Jason, während er wählte. An Theresa gewandt, fügte er hinzu: »Chris hat eine blitzsaubere Bilanz. Zweihundertundsechzehn Geiselnahmen ohne Blutvergießen beendet.«
»Nicht ganz, etwas Blut wurde schon vergossen. Aber nichts Lebensgefährliches.«
Das sollte mich eigentlich aufbauen , dachte Theresa, aber das tut es nicht. Er spricht über den Verlust von Menschenleben, als ob es eine laufende Wette auf ein Basketballteam wäre. Als sich Jason mit seinem Mobiltelefon entfernte, fragte sie Cavanaugh: »Wie sind Sie eigentlich an diesen Beruf gekommen? Wie überreden Sie sie zur Aufgabe, wenn sie doch wissen, dass sie ins Gefängnis wandern?«
»Der größte Teil besteht aus Zuhören. Man muss gut zuhören können. Ich wette, Sie wären auch gut.«
»Nein, ganz bestimmt nicht.« Sie schauderte. »Ich will nicht verantwortlich für das Leben von Menschen sein.«
Cavanaugh lachte. »Aber Tote sind in Ordnung?«
»Genau. Wenn ich an der Aufklärung eines solchen Falles scheitere, dann geschieht den Toten keine Gerechtigkeit, aber sie werden dadurch nicht noch toter.«
Sie trank ihr Wasser aus. »Das klingt wahrscheinlich ziemlich jämmerlich, aber das ist mir egal.«
»Es klingt nachvollziehbar.«
»Sie dagegen – müssen Sie je entscheiden, wer lebt und wer stirbt?«
»Nicht in diesem Fall«, antwortete er, elegant ihre eigentliche Frage umgehend. »Die Geiseln sind alle an einem Ort, was die Sache vereinfacht. Vor allem bei Geiselnahmen in der Familie kann es vorkommen, dass alle auf verschiedene Räume verteilt sind, was bedeutet, dass manche sich in Sicherheit befinden und manche zum selben Zeitpunkt nicht. Wir stellen unser Denken auf die jeweilige Situation ein.«
Wenn die Entscheidung zwischen Paul – der sich mit seinem Beruf dafür entschieden hatte, an vorderster Front zu stehen – und einer Zivilperson fallen müsste, dann würde er sein Denken darauf einstellen. Sie musste unbedingt bei Cavanaugh bleiben, um das zu verhindern.
Schließlich sprach sie laut aus, was sie seit einer Stunde dachte: »Können wir ihnen nicht ihr verdammtes Auto geben und sie ziehen lassen?«
»Nicht nach dem, was er zuletzt gesagt hat. Wenn sie jemanden aus der Bank mitnehmen, dann ist diese Person so gut wie tot. Ansonsten würde ich ihnen nur zu gern das Auto und so viel Geld, wie sie wollen, überlassen, und es wäre mir auch egal, ob sie entkommen. Darum muss sich jemand anders kümmern. Aber ich kann ihnen keine Geisel geben.« Er warf ihr einen Blick zu. »Schauen Sie nicht so. Es ist nicht hoffnungslos. Ich werde versuchen, das Auto gegen die Freilassung aller Geiseln einzutauschen.«
»Darauf werden sie sich nicht einlassen. Sie wissen, dass sie, sobald sie die Köpfe ohne den Schutz einer Geisel zur Tür hinausstrecken, tot sind.«
»Deshalb ist es sinnvoller, wenn sie von selbst aufgeben. Man muss sie alle möglichen Szenarios durchdenken lassen. Am Ende kapieren sie dann meist von selber, was eine realistische Option ist und was nicht.« Er warf ihr wieder einen Blick zu. »Ich habe nur gesagt, dass es nicht hoffnungslos ist, nicht, dass es einfach wird.«
Kessler stand auf und warf seinen Kaffeebecher in den Abfalleimer. »Aber warum hat man Mark Ludlow umgebracht? Und wenn sie schon einmal getötet haben, ist es da nicht wahrscheinlich, dass sie … ähm …«
»Wir sind uns nicht vollkommen sicher, ob sie etwas mit Ludlows Tod zu tun haben«, sagte Cavanaugh. »Wir sind nicht einmal ansatzweise sicher. Aber wenn die beiden Fälle zusammenhängen, dann wissen die Männer da drüben nicht, dass seine Leiche gefunden wurde oder dass wir glauben, dass seine Ermordung mit dem Banküberfall in Verbindung steht. Sie wollen die Möglichkeit, aus der Sache herauszukommen, ohne dass jemand zu Schaden kommt, weil sie wissen, dass die Gefängnisstrafe dann kürzer ausfallen wird. Wenn wir ihnen sagen, dass wir sie des Mordes anklagen wollen …«
»Haben sie nichts mehr zu verlieren«, vollendete Theresa den Satz.
»Genau. Sie müssen weiterhin glauben, dass es in ihrem besten Interesse ist, niemanden
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