Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
Sie damit?«, wiederholte der Sergeant. Sie konnte ihn schon kaum verstehen, weswegen Lucas ihn sicher nicht hörte – hoffentlich.
Doch sie war einmal mit Rachael in einem Museum in Cincinnati gewesen, in dem es einen besonders konstruierten Raum gegeben hatte. Stand man an einem Ende und flüsterte sich etwas zu, konnten alle anderen Anwesenden es laut und deutlich hören. Theresa hoffte, dass in der Lobby nicht derselbe Effekt vorherrschte.
»Mom!«
Theresa rutschte beinahe ein Geldpaket aus ihren verschwitzten Händen. Hatte sie schon Halluzinationen? Sie hätte schwören können, Rachaels Stimme gehört zu haben, und nicht in der Erinnerung an den Tag im Museum. Vor allem, weil es dieses Mal kein Flüstern gewesen war.
»Mom!«
Hinter den Sicherheitskräften und dem Geldtransporter, auf der anderen Seite der Rockwell, wo die Sägeböcke die Schaulustigen abhielten, stand ihre Tochter und winkte wild mit den Armen. »Mom!«
Theresa erstarrte.
Rachael stand eng an eine Metallabsperrung gepresst, auf der auf einer Seite ACHTUNG ! aufgemalt war. Sie trug dieselben Kleider wie heute Morgen, hautenge Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt, das für Theresas Geschmack viel zu eng für eine dralle Siebzehnjährige war. Rachaels Freund Craig, der wohl dazu verdonnert worden war, sie in die Stadt zu fahren, stand neben ihr. Frank hatte sich schräg hinter ihr postiert, seine Hände auf ihren Schultern, wohl um sie davon abzuhalten, über die Absperrung zu klettern.
»Wer ist das?«, fragte der Police Sergeant.
Wut verdrängte Theresas Schock. Was dachte sich Frank eigentlich dabei, Rachael so nahe heranzulassen? Wenn die Schießerei erst anfing, konnten die Kugeln wer weiß wohin fliegen. Ganz abgesehen davon, dass sie einen Platz in der ersten Reihe bei der möglichen Ermordung ihrer Mutter hatte. War das Ganze nicht schon traumatisch genug? Musste sie auch noch Augenzeugin werden? Hatte er vollkommen den Verstand verloren? Er hätte sie in einen Polizeiwagen sperren sollen, wenn nötig, Hauptsache, er brachte sie weg von hier.
Und Craig würde sie erwürgen, wenn sie diesen Tag überlebte.
Doch die beiden Männer hatten ihr nicht aufgetragen, sich für ihren Verlobten zu opfern. Sie hatten sie nicht in diese Situation gebracht.
Wenn ich losrenne, könnte ich es schaffen. Die Cops würden mich nicht aufhalten. Ich wäre schon halb auf der Straße, bevor Lucas reagieren könnte, und mich könnte er dann nicht mehr treffen. Jeden anderen schon, doch mich nicht.
Und vielleicht erschoss er auch gar niemanden. Er hatte ja noch sieben Geiseln, da konnte er gut eine entbehren. Außer wenn die anderen auch versuchten davonzulaufen. Dann würde er schießen. Das müsste er.
»Mom!«
Wenn sie losrannte, könnte sie es schaffen.
»Lucas.« Sie sprach ruhig und deutlich. »Meine Tochter ist da draußen. Ich werde ihr zuwinken, nur mit der Hand winken und mich nicht bewegen.«
»Wo ist sie?«
»Hinter den Absperrungen.«
»Ach wirklich.« Er schaute hinter Jessica Ludlow hervor, wenige Zentimeter nur. »Laden Sie sie doch ein.«
Sie zischte ihm eine für sie ungewöhnlich bösartige Obszönität zu, die nicht nur sie erschreckte, sondern vielleicht sogar ihn. Oder die ihn nur amüsierte.
»Okay, okay. Ganz ruhig, Theresa. Ich habe nur Spaß gemacht. Ihre Füße werden sich keinen Millimeter bewegen. Winken Sie – einmal. Dann geht’s zurück zu meinem Geld.«
Sie blickte zu ihrer Tochter, die so weit entfernt stand, dass ihr Gesicht verschwommen war, nur der Umriss und die Haare und natürlich die Stimme waren zu erkennen. Weinte sie? War sie wütend? Was wäre schlimmer?
Wenn sie losrannte, könnte sie es schaffen.
Theresa winkte mit ihrem rechten Arm. Rachael sah es; ihre hektischen Bewegungen verlangsamten sich, bis sie ganz still stand. Sämtliche Kraft schien sie verlassen zu haben. Jetzt kapiert sie es erst richtig , dachte Theresa. Sie kommt her, sieht ihre Mutter – und jetzt wird ihr bewusst, dass sie nichts tun kann. Dass niemand etwas tun kann. Theresa war gefangen, und keiner konnte ihr helfen.
Außer wenn sie losrannte.
»Keinen Schritt weiter, Theresa«, ertönte Lucas’ mahnende Stimme von hinten. »Falls Sie es doch tun, töte ich die Hälfte der Anwesenden hier. Dann bleibt mir immer noch die andere Hälfte.«
Damit müssten dich die Behörden ausschalten, egal um welchen Preis , dachte sie, doch sie wusste, dass es keinen Unterschied machte. Ihre Entscheidung war gefallen,
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