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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Seider
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sagte er streng.
    »Ist schon in Ordnung.« Billy verkniff sich ein Grinsen und tat so, als wollte sie gehen, drehte sich aber auf dem Absatz um und wandte sich an Remy. »Sie sollten misstrauisch sein, wenn Paula das nächste Mal in die Sauna geht. Ihre Frau hat nämlich ganz andere Dinge im Sinn.«
    Remys Blick wanderte argwöhnisch zwischen Billy und seiner Frau hin und her, und Billy sah befriedigt, wie Paula zusammenzuckte. Sie zwinkerte ihr noch einmal zu und winkte den beiden, bevor sie die Tür hinter sich schloss und mit gestrecktem Rücken zu ihrem Auto schritt.

4.
     
    Sie klappte den letzten Ordner zu und legte ihn zu den anderen, die sich schon auf ihrem Schreibtisch türmten. Draußen läutete die Turmuhr der katholischen Kirche zur vollen Stunde und Billy zählte die Schläge. Elf Uhr an einem Donnerstag Vormittag und sie hatte bereits alle Wiedervorlagen für diese Woche bearbeitet. Sie schob den Stapel mit den Akten an die äußere Tischkante und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Heute stand weder ein Gerichtstermin noch ein Treffen mit einem Klienten an, und sie war entschlossen, sich dafür mit überfälligen Schriftsätzen und Telefonaten abzulenken. Zwei Stunden lang war ihr das gelungen, doch der kurze Moment der Entspannung holte sofort die Bilder zurück, die sie während der letzten zwei Tage verfolgt hatten. Der scheußliche Kranz, das entsetzte Gesicht von Julias Mutter, Paula im Kreis ihrer Familie.
    Paula.
    Paula und alles, was mit ihr zusammenhing, war so weit weg gewesen. Doch offenbar nicht für die alte Rivalin. Hatte der Hass all die Jahre in ihr gelodert? Anders war ihre Tat nicht zu erklären.
    Judenpimmel Judenpimmel
    Die Haare an ihren Armen stellten sich auf. Billy schämte sich für ihren peinlichen Auftritt. Warum hatte sie Paula nicht einfach zur Seite genommen und nach dem Kranz gefragt? Warum hatte sie ihr nicht ein Friedensangebot gemacht?
    Etwas hatte sich seit Tamys Anruf in ihr verändert, und es beunruhigte Billy tief.
    Rasch griff sie nach dem Notizbuch und suchte die Termine für morgen. Sie brauchte einen Moment, um ihre Gedanken wieder auf die Gegenwart zu richten. Nur der junge Oren Albrecht, morgen früh um zehn Uhr. Mit einigen tiefen Atemzügen versuchte sie, die Beklemmung abzuschütteln, stand auf und ging hinüber zu Laura.
    »Haben Sie schon eine Akte für Oren Albrecht angelegt?«, fragte Billy.
    Laura stand missmutig auf, holte einen dünnen Pappordner aus dem Regal und hielt ihn Billy wortlos hin.
    »Danke sehr.« Mit dem Aktenordner in der Hand schloss Billy die Tür und setzte sich an ihren Schreibtisch. Sie schlug den Ordner auf. Alle Daten waren vorhanden, genug, um einen Brief aufzusetzen. Billy ging davon aus, dass es bei einem Brief bleiben würde. Die Eltern würden sich informieren und erkennen, dass sie würden zahlen müssen. Und so würde Oren Albrecht in Freiburg studieren und das Verhältnis zu seiner Familie würde einen Knacks haben. Billy stöhnte, während sie nach dem altmodischen Diktiergerät griff. Sie hatte ihn gewarnt.
    Schnell überflog sie Namen und Anschrift und blieb bei dem Geburtsdatum hängen. Sie blinzelte und sah noch einmal hin. In ihrer Brust begann es, zu flattern. Sie ließ das Gerät sinken und starrte auf das Datum.
    Loic.
    Am selben Tag geboren.
    Aus dem Flattern wurde ein hartes Pochen.
    Oren Albrecht hatte erzählt, dass er von seinen Eltern adoptiert wurde. Sie dachte an den jungen Mann und suchte eine Ähnlichkeit. Die Augen. Diese dunkelbraunen, tiefgründigen Augen. Till hatte dieselben gehabt. Nicht so groß wie die von Oren, aber die ungewöhnliche Farbe war Billy damals aufgefallen. Der Raum in ihren Augenwinkeln begann sich zu drehen, wurde zu einem wässrigen Chaos ohne Konturen. Sie legte ihr Kinn auf die Hände, ohne das Datum aus dem Blick zu lassen.
    Unmöglich.
    Immer wieder hatte sie sich vorgestellt, wie es sein würde, ihrem Kind zum ersten Mal zu begegnen, und in ihrer Phantasie war Loic stets das Baby mit den nassen, schwarzen Haaren gewesen, auf das sie nur einen kurzen Blick geworfen hatte.
    Loic, diesen Namen hatte sie ihm gegeben, nachdem der Arzt ihr mitgeteilt hatte, dass es sich bei dem Wesen in ihrem Bauch um einen Jungen handelte, und es war der Name, den sie stumm geschrien hatte, als man ihn gleich nach der Geburt weggetragen hatte.
    Ein warmes Gefühl erfasste plötzlich ihren Brustraum.
    Es kann Zufall sein, sagte sie sich selbst, doch ihr vibrierender Körper glaubte ihr

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