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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Seider
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von ihm selbst hören. Und plötzlich hatte sie eine Idee.
    Sie setzte den Blinker, fuhr auf die linke Spur und gab Gas. Ihr Plan war mehr als wackelig, Oren hatte seine Sachen für ein paar Tage gepackt und konnte sich überall aufhalten. Aber sie musste es versuchen.
    Mit bis zu zweihundert Stundenkilometern raste Billy die Autobahn entlang, wechselte von der A 65 auf die A5, gab den vorfahrenden Autos die Lichthupe und bei den Autos, die sie überholte, suchte sie nach silbergrauen Polos. Zweimal dachte sie, sie hätte Oren gefunden, beide Male genügte ein kurzer Blick auf den Fahrer, um zu erkennen, dass er es nicht war.
    Ihr Atem ging stoßweise und ihre Finger krampften sich um das Lenkrad.
    Sie wollte erneut die Lichthupe betätigen, als sie sah, dass das Auto vor ihr völlig verdreckt war. Schlammspuren bis zur Heckscheibe hinauf. Das Auto war silbergrau, und auf den zweiten Blick erkannte sie den Polo. Ihr Herz rutschte in den Magen, während sie leicht die Bremse betätigte.
    Mit ungefähr hundertdreißig Stundenkilometern folgte sie dem VW, ließ immer wieder ein oder zwei Autos vor sich und bekam die Gewissheit, dass Oren in dem Wagen saß, als dieser die Autobahn an der Ausfahrt nach Emmendingen verließ.
    Oren durchquerte einen Vorort und fuhr an der Elz entlang in Richtung Emmendingen. Billy ließ zwei Autos zwischen ihnen, ohne ihn aus den Augen zu verlieren. An der Kreuzung, wo es links in die Innenstadt ging, bog Oren nach rechts. Billy setzte den Blinker und folgte Oren geradeaus am Reitclub vorbei auf den Wald zu. Sie bremste ab. Lockte er sie in eine Falle?
    Ihr Herzschlag pulsierte in ihrem Brustraum.
    Vor dem Wald hielt der Polo an. Entschlossen drückte Billy ihren Fuß aufs Gas und fuhr ihm hinterher. Von Weitem sah sie, wie Oren ausstieg, seinen Kopf kurz in ihre Richtung drehte und in den Wald hineinlief. Sie war jetzt sicher, dass er sie bemerkt hatte. Es spielte keine Rolle mehr. Sie wollte Antworten.
    So schnell es der schmale Weg zuließ, fuhr Billy auf den Polo zu, stellte ihren Wagen dahinter ab und sprang heraus. Sie hörte ein Knacken. Ein Schatten hinter den Büschen.
    »Ich weiß, dass du hier bist«, rief sie energisch.
    Wieder ein Knacken. Dann trat er hinter einem Busch hervor. Seine sorgsam zur Seite gekämmten Haare standen im Widerspruch zu den hitzigen Wangen, seine hagere Gestalt war steif wie bei einem Soldaten. Er beobachtete sie wie eine Raubkatze, die jeden Moment angreifen könnte.
    »Bist du an deinem Ziel angekommen? Bist du zufrieden mit dir?« rief Billy und war erstaunt über ihre klare Stimme.
    Er rührte sich nicht.
    »Es war nicht dein Mitbewohner, der dich geschlagen hat, oder?«
    Ein kurzes Wanken in seiner Haltung, so flüchtig, dass sie nicht sicher war, ob sie es sich nur eingebildet hatte.
    »Clarissa war es, die sich gegen dich gewehrt hat«, fuhr sie fort. »Ich habe verstanden, Oren. Zumindest einen Großteil. Und ich kapituliere. Aber ich will wissen, warum du das alles getan hast.«
    Immer noch keine Regung.
    »Warum musste Clarissa sterben?« Ihre Beine zitterten und sie hatte Angst, jeden Moment in die Knie sinken zu müssen, aber ihre Stimme war nach wie vor energisch.
    »Willst du mir ihren Tod in die Schule schieben, damit ich die Strafe bekomme, die ich verdiene? Willst du, dass ich meine Schuld an dir wiedergutmache, indem ich für dich ins Gefängnis gehe?«
    Keine Reaktion. Er starrte sie an. Bewegungslos. Er war ein verletztes, scheues Kind und gleichzeitig ein Mann. Sie verstand Paula, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Sie sah das kleine Baby vor sich, das man in eine Decke gewickelt hatte. Sah Clarissas Strahlen am Tag von Julias Beerdigung. Ihre Kehle wurde eng.
    »Es war der größte Fehler meines Lebens, dass ich dich weggegeben habe. Und es gab seither keinen Tag, an dem ich nicht an dich gedacht habe, an dem ich mich nicht danach gesehnt habe, für dich da sein zu dürfen, dich glücklich zu wissen. Ich dachte damals, dass ich zu jung bin für ein Kind. Dass ich es nicht schaffen würde, dir eine gute Mutter zu sein. Und dass es besser für dich ist, wenn du richtige Eltern bekommst. Eltern, die selbst reif genug sind, die Geld haben, um dir ein angenehmes Leben zu bieten und die dir ein Vorbild sind.« Ein Schluchzen drang aus ihrem Mund. »Es war ein Fehler, Oren. Ich würde alles tun, um ihn rückgängig zu machen. Aber warum Clarissa?« Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. »Warum Clarissa?« schrie sie.
    »Sei ruhig!«,

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