Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn
schweigen.«
Wie gerne hätte Constance Pemblebury lauthals aufgeschrien! Aber zu ihrer Überraschung und ihrem großen Entzücken erlebte sie, dass ein anderer ihr dies abnahm.
»Ich verlange eine Unterbrechung!«, ließ sich eine ernste und energische Stimme von den hinteren Bänken der Kapelle vernehmen, woraufhin sämtliche Köpfe herumschnellten und Jilseponie Danubes Hand noch fester drückte – aus Angst, der Mann könnte sein Schwert ziehen und den Sprecher einen Kopf kürzer machen.
Kurz darauf jedoch, als sie sahen, wer der Zwischenrufer war, entspannten sich sowohl König Danube als auch Jilseponie wieder. Er glich Danube sehr, nur, dass er jünger und schmaler und das Lächeln auf seinem Gesicht, als er wie selbstverständlich durch den Mittelgang schritt, gänzlich ungezwungen war.
»Mein Bruder!«, rief König Danube überrascht.
»Prinz Midalis!«, verkündete der Sergeant der Allheart-Garde.
»Ich verlange eine Unterbrechung der Trauungszeremonie!«, übertönte Midalis das verwirrte, vielstimmige Getuschel. Ein kurzes Zögern, dann wurde sein Lächeln noch strahlender. »Bis ich den mir zustehenden Platz an der Seite meines Bruders eingenommen habe.«
Und so war die Freude in St. Honce an jenem Tag sogar noch größer, denn die Menschen wurden Zeuge des seltenen Zusammenseins der Brüder Ursal, von König und Prinz.
Danube und Midalis hatten sich nie sehr nahe gestanden, da sie altersmäßig weit auseinander lagen; im Grunde stand Midalis Jilseponie mit ihren fünfunddreißig Jahren sehr viel näher.
Der Prinz trat vor und begrüßte seinen Bruder mit einem herzlichen Handschlag, als er aber Anstalten machte, sich vor Jilseponie zu verbeugen, fing sie ihn mitten in der Bewegung ab und schloss ihn überschwänglich in die Arme. Sie waren sich bereits einmal begegnet – vor zwölf Jahren im Hain bei Dundalis, wo die Leichname Elbryans und seines Onkels Mather begraben lagen, und dann noch einmal im Barbakan, als Midalis das Volk von Vanguard sowie ein Truppenkontingent alpinadorischer Barbaren zu Avelyns Arm geführt hatte. Seit damals hatte Jilseponie den Mann kein einziges Mal zu Gesicht bekommen, doch das hatte dem Vertrauen der beiden zueinander keinen Abbruch getan.
Erstaunte Rufe aus dem Hintergrund der Kapelle lenkten die Aufmerksamkeit fort vom Altar. Jilseponie erriet deren Ursache, noch bevor sie in die Richtung schaute.
Und tatsächlich, dort stand Andacanavar, der berühmte Hüter Alpinadors mit seinen sieben Fuß und seinen über siebzig harten Wintern auf dem Buckel. Seine Körperhaltung war nicht mehr ganz so aufrecht wie damals vor all den Jahren, stellte Jilseponie fest, aber durchaus noch immer eindrucksvoll, und sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass er noch immer zwei beliebige Männer aus dem Bärenreich besiegen konnte. Noch überraschter aber war sie, als sie Bruinhelde, den Stammesführer von Toi Hengor, an Andacanavars Seite erblickte; und gleich neben ihm einen weiteren alten Freund, Meister Dellman von St. Belfour.
Jilseponie und auch Abt Braumin waren zweifellos hocherfreut, Dellman wiederzusehen, der ihnen all die Jahre zur Seite gestanden hatte, als sie mit Vater Markwart um die Herrschaft über den Abellikaner-Orden gekämpft hatten. Aber noch mehr beeindruckte Jilseponie der Auftritt der Alpinadoraner, denn sie sah darin eine Bestätigung ihrer Person als Gemahlin Elbryans, dem Helden des Nordens. Bruinhelde war kein unbedeutender Stammesführer unter den wilden Völkern Alpinadors und dass er eine mehrere hundert Meilen weite Reise auf sich genommen hatte, um den Hochzeitsfeierlichkeiten des Königs des Bärenreiches beizuwohnen, eines Landes, für das Alpinador von Alters her wenig Zuneigung hegte, war mehr als überraschend.
»Darf ich den Platz an deiner Seite einnehmen?«, kam Prinz Midalis mit seiner Frage König Danubes Aufforderung zuvor.
Woraufhin ihn König Danube abermals in die Arme schloss, ihn dann unmittelbar neben sich postierte und Kalas damit um eine Position nach hinten drängte. Jilseponie entging nicht, dass der Herzog darüber nicht gerade begeistert war.
Und so endete die Zeremonie mit einem Abt Braumin, in dessen Stimme ein noch deutlicherer Unterton von Freude mitschwang.
König Danube beendete die Amtshandlung, indem er auf das neben dem Altar errichtete Podest trat und mit sonorer, königlicher Stimme voller Erregung und Begeisterung verkündete: »So seid denn alle meine Zeugen! An diesem Mittsommertag im Jahr des Herrn
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