Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn
trägt. Es mag durchaus sein, dass ein paar Adlige ihre Verachtung offen zeigen; trotzdem sie sind wohl kaum eine schlechtere Gesellschaft als die Goblins und Pauris, und selbst unter die hat Jilseponie sich gemischt, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.«
»Tja, und besser wäre es wohl, wenn sie an Danubes Hof ebenso aufräumen würde wie damals unter den Goblins und Pauris!«, entfuhr es Roger, dessen Ton verriet, dass es scherzhaft gemeint war. Und tatsächlich lachten alle erleichtert, als hätte man nur darauf gewartet.
Dennoch sperrte sich etwas in Jilseponies Gedanken und, noch wichtiger, in ihrem Herzen gegen diese Fröhlichkeit. Sie vermisste ihr Leben in den Nordlanden, in Palmaris, und mehr noch, in Dundalis.
Aber sie kannte ihre Pflicht und, ja, sie konnte und würde König Danube lieben.
»Auf das große Ereignis morgen«, brachte Abt Braumin einen Toast aus und hob sein Glas.
»Hoffen wir, dass Rogers nächster Besuch in Ursal eher seinen Vorstellungen entspricht«, fügte Jilseponie hinzu und stieß mit Braumin an.
Sie tranken einander zu und nippten an ihrem edlen Wein; Dainsey machte sich weiter über die Leckerbissen her, während Roger, Braumin und Jilseponie über die guten alten Zeiten und ihre Träume von einer besseren Zukunft plauderten.
Zwar konnte Jilseponie durchaus voller Hoffnung und mit großen Erwartungen über die Zukunft sprechen, trotzdem blickte sie derzeit nicht weiter nach vorn als bis zum Morgen des kommenden Tages, wenn sie durch den Mittelgang von St. Honce schreiten würde, um König Danube Brock Ursal angetraut und Königin des Bärenreiches zu werden.
Es waren diese Gedanken, die sie an jenem Abend noch bis ins Bett verfolgten und sie kaum schlafen ließen. Aber als die Kammerzofen am nächsten Morgen mit ihren Cremes und Parfüms und ihrem wundervollen langen, weißen Kleid bei ihr erschienen, hätte man sich trotz ihrer Übermüdung keine reizendere Frau vorstellen können.
Wenig später betrat sie die Kirche von St. Honce, wo König Danube sie bereits am Ende des Mittelgangs vor dem prunkvollen Altar erwartete. Neben ihm standen Meister Fio Bou-raiy und Abt Braumin, die man, zur Enttäuschung von Abt Ohwan, dazu auserkoren hatte, die Zeremonie gemeinsam durchzuführen.
Und was für eine prächtige Zeremonie es war! Ein Spektakel, das auf Jahrhunderte in die Erzählungen der Barden eingehen würde: die Vermählung der größten Heldin der Welt mit dem König des Bärenreiches, die Verbindung von weltlicher und geistlicher Macht. Sämtliche Anwesenden, die zehntausende von Menschen aus Ursal, die sich in den umliegenden Straßen drängten und die Feier über eine Reihe von eigens postierten Ausrufern mitverfolgten, ja die gesamte Bevölkerung des Landes schöpfte neue Hoffnung und Trost aus der Tatsache, dass sich ihre Welt soeben auf dramatische Weise zum Besseren gewendet hatte.
Fast die gesamte Bevölkerung.
Es gelang Herzog Kalas und einigen anderen Adligen durchaus, ihr Missfallen, ja nachgerade ihre Abscheu, zu verbergen, als ihr geliebter König die Verbindung mit dem Bauernmädchen aus den Nordlanden einging. Welch einen Gegensatz Jilseponie zu seiner früheren Gemahlin, Königin Vivian, darstellte, deren reine Abstammung im ganzen Königreich ihresgleichen suchte.
Und auch Constance Pemblebury verfolgte diese Hochzeit wohl kaum erfüllt von Hoffnung, als vielmehr mit an Entsetzen grenzender Abscheu. Wie lange, fragte sie sich, würde Jilseponie wohl benötigen, um Merwick und Torrence alle Chancen auf die Macht zu entreißen? Das war ihre schlimmste Befürchtung, oder zumindest redete sich Constance ein, dass das Erbe ihrer Kinder ihre größte Sorge war, denn nur so konnte sie die Gewissheit ertragen, dass Danube bald in den Armen einer anderen liegen würde.
Die Zeremonie verlief ohne Zwischenfall; Meister Bou-raiy spendete ihr den kirchlichen Segen – für den Abellikaner-Orden der wichtigste Teil der Vermählung –, dann überließ er die Zeremonie Abt Braumin, der sie rasch zum Abschluss brachte. Braumin spulte das Eheversprechen und die Gelübde, die Litanei zur Hoffnung der Ehe und die Gebete zur Vereinigung von Fleisch und Seele reibungslos herunter, schließlich hielt er inne, richtete den Blick auf die versammelte Gemeinde und fragte: »Befindet sich hier und jetzt einer unter euch, der sich guten Gewissens und reinen Herzens genötigt sieht, diese Verbindung zu verhindern, so möge er jetzt das Wort erheben oder für immer
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