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Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Titel: Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.A. Salvatore
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darüber hinaus noch in Erfahrung bringen könnt«, bat ihn Constance. »Ist Jilseponie unfruchtbar?«
    »Ihr fürchtet um Merwick und Torrence«, stellte der Abt fest.
    »Ich fürchte um das Bärenreich«, korrigierte ihn Constance. »Eine Bäuerin zur Königin zu haben, die sich leicht von einem geschickten Hofstaat und einem König kontrollieren ließe, ist eine Sache; etwas völlig anderes ist es, mit ansehen zu müssen, wie diese Bauernkönigin Kinder, und damit Erben, ins Spiel bringt. Von ihrem Geblüt und ihrer Erziehung her werden sie niemals dazu taugen, die ihnen vom Schicksal zugedachte Rolle auszufüllen. Erinnert Ihr Euch etwa nicht mehr an die Schreckensherrschaft König Archibalds des Roten?«, schloss sie theatralisch mit einem Hinweis auf einen Tyrannen, der, geboren von einer Bauernkönigin und besessen von seinem Groll gegen den gesamten Adelsstand, das Bärenreich im sechsten Jahrhundert regiert hatte. Ganz dem Willen seiner Mutter entsprechend, hatte Archibald das gesamte Gesellschaftsgefüge des Königreichs umkrempeln wollen, indem er Land von Adligen auf einfache Leute übertrug und seinen Hofstaat mit ungehobelten Bauern besetzte, alles mit katastrophalen Folgen. Als der Adelsstand sich daraufhin gegen Archibald stellte, mündete dies in einen fünf Jahre dauernden Bürgerkrieg, der das Königreich geschwächt und zerstört zurückließ.
    Abt Ohwan war diese Geschichte durchaus bekannt, wie Constance seinem erschrockenen Gesichtsausdruck entnehmen konnte.
    »Es wäre doch wohl für alle besser, wenn Merwick in der Thronfolge bliebe, meint Ihr nicht auch?«, fragte sie ihn ganz offen.
    »Das wäre es in der Tat, Mylady«, antwortete Abt Ohwan mit einer leichten Verbeugung. »Ich werde mich in St. Mere-Abelle und St. Precious erkundigen und sehen, was ich über Jilseponies Zustand in Erfahrung bringen kann.«
    »Es wäre für uns alle besser, wenn ihr Kampf gegen Vater Markwart bleibende Verletzungen hinterlassen hätte«, schloss Constance mit einer Kälte, die Ohwan frösteln ließ. Sie machte auf dem Absatz kehrt und verließ, einen stark erschütterten Abt Ohwan zurücklassend, erhobenen Hauptes die Kapelle.

3. Das hässliche Gesicht im Spiegel
    Die schwere Axt sauste in hohem Bogen vor seinem Körper nieder und traf den Block genau im richtigen Winkel und spaltete ihn, sodass die beiden Scheite rechts und links vom Hackklotz herunterfielen. Der kräftige Mann machte sich gar nicht erst die Mühe, sie aufzuheben, sondern schnappte sich den nächsten Block und legte ihn auf dem Klotz zurecht, wo er leicht schwankend liegen blieb. Das leichte Schwingen spielte kaum eine Rolle, denn die Axt senkte sich in einer einzigen schnellen, fließenden Bewegung, und zwei weitere Hälften fielen neben dem Klotz zu Boden.
    Es folgte noch ein Scheit, dann noch einer, und schließlich musste der Mann mit der Axt eine Pause einlegen, um das Schnittholz auszusortieren und die bereits gespaltenen Stücke zwanzig Fuß weit auf einen riesigen Stapel mit Feuerholz zu schleudern.
    Die Morgenluft war frostig kalt – was auch der Mann mit der Axt zu spüren bekam –, aber es schien ihn kaum zu stören. Trotz seiner nahezu fünfzig Jahre hätte niemand, der ihn beobachtete, sein Alter auch nur auf vierzig geschätzt. Seine Muskeln waren fest und voller Spannkraft, seine Haut faltenlos, und in seinen Augen leuchtete noch immer das Feuer der Jugend. Es war zugleich sein Segen und sein Fluch.
    Ein weiterer Block, zwei weitere Scheite. Dann noch einer und noch einer, ohne Unterlass den ganzen frühen Vormittag hindurch, ein rhythmisch peitschendes Geräusch, das absolut nichts Ungewöhnliches hatte für das gute Dutzend anderer hartgesottener Kerle aus Micklins Dorf, einer tristen Ansammlung winziger Katen an der Westgrenze des Bärenreiches. Das Dorf wurde von einer Gruppe wettergegerbter ungehobelter Jäger und Fallensteller bewohnt, die elf Monate des Jahres Häute und Pelze sammelnd draußen durch die Wilderlande zogen, um anschließend einen Monat lang für einen riesigen, ausgelassenen Jahrmarkt in die Zivilisation zurückzukehren.
    Seit dieser Mann, der sich Bertram Dale nannte – ein Deckname, wie jeder argwöhnte, genau wie die Namen von mehr als der Hälfte aller Männer im Ort, Gesetzlose allesamt –, in Micklins Dorf gekommen war, hatte das rhythmische Geräusch des Holzhackens die Funktion des Hahnenschreis übernommen. Jeden Morgen, ob es wie aus Eimern schüttete oder dichter Schnee fiel, ob bei

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