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Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Titel: Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.A. Salvatore
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nachlassenden Tageslichts ein wenig Nachschub zu beschaffen.
    Um die Tageszeit entfernte sich De’Unnero nur ungern vom Dorf, denn es waren zu viele Tiere in der Nähe, zu viel nach verlockender Beute riechendes Rotwild, das den Wertiger reizte, sich loszureißen und es zu verschlingen. Nur selten wagte er sich am späten Nachmittag noch in den Wald, an diesem Tag aber, nach diesem Zwischenfall, glaubte er sich etwas beweisen zu müssen.
    Lange Schatten lagen vor ihm auf der Erde, deren scharfe Umrisse mit dem Übergang von Tageslicht zu Zwielicht nach und nach zu einem verwaschenen Grau verblassten. De’Unnero entdeckte einen abgestorbenen Baum und versetzte ihm im Vorüberlaufen einen flüchtigen Tritt, der ihn zu Boden warf. Ein Ende anhebend ging er daran, ihn die wenigen hundert Schritte zurück zu Micklins Dorf zu schleppen, blieb aber fast augenblicklich wieder stehen, als er eine Witterung aufnahm. Er ließ das Stammende fallen und sog die Luft durch seine Nase ein. Schlagartig erschien ihm sein Geruchssinn sehr viel feiner als zuvor.
    Eine Bewegung seitlich von ihm erregte seine Aufmerksamkeit, und noch während er sich in die Richtung drehte, war ihm klar, dass er, der Mensch, sie niemals bemerkt haben würde. Diese Erkenntnis war für ihn das Zeichen, dass der Wertiger in seinem Innern im Begriff war, die Oberhand zu gewinnen.
    Die Hirschkuh trat ins Blickfeld, senkte den Kopf, um im Gras zu äsen, und ging schließlich dazu über, an den unteren Blättern eines Ahornbaumes zu knabbern.
    Für De’Unnero wäre es ein Leichtes gewesen, dem Ruf des Wertigers nachzugeben, die schnelle Verwandlung seiner äußeren Erscheinungsform zuzulassen und sich auf seine wartende Mahlzeit zu stürzen. Innerhalb weniger Herzschläge würde er die Hirschkuh gerissen und getötet haben, um sich dann an ihrem Blut und ihrem zarten Fleisch gütlich zu tun.
    »Und anschließend würde ich in Micklins Dorf zurückrennen und dort weitere fünfzehn Portionen meiner Mahlzeit vorfinden!«, rief der ehemalige Mönch plötzlich aus Wut darüber, dass er beinahe schwach geworden wäre; das unerwartete Geräusch seiner Stimme ließ die Hirschkuh aufschrecken, und sie nahm Reißaus.
    Es folgte der schwierigste Augenblick überhaupt, der Augenblick der Flucht, wenn der süß-verlockende Geruch der Angst ihm immer übermächtiger in die Nase stieg. Der Wertiger nahm diese Witterung klar und deutlich auf und sprang darauf an; er ergriff von dem Mann Besitz, versuchte ihm alle Menschlichkeit zu rauben und seine niederen und dunklen Instinkte freizusetzen.
    De’Unnero war auf diese Attacke aus seinem Innern vorbereitet, schließlich war er gerade wegen dieser Prüfung hergekommen; die Fäuste neben seinem Körper geballt, setzte er zu einem langen und leisen Knurren an, einem Fauchen der Verweigerung, und kämpfte mit sich, kämpfte hart.
    Die Witterung wurde schwächer, als die Hirschkuh immer weiter fortsprang und außer Sicht geriet, und gleichzeitig ließ auch das Drängen des Wertigers nach.
    Marcalo De’Unnero atmete einmal lang und tief durch, nahm seinen Holzstamm wieder auf und machte sich auf den Weg zurück in Micklins Dorf. Der Sieg verschaffte ihm eine gewisse Befriedigung; trotzdem war ihm klar, dass er in Wahrheit nicht viel zu bedeuten hatte, dass sein kleiner Erfolg hier auf einem vorbereiteten Schlachtfeld gegen einen unbedeutenden Feind erzielt worden war. Wie hätte er wohl reagiert, wenn ihm die Hirschkuh gänzlich unerwartet über den Weg gelaufen wäre, womöglich auf dem Hofplatz zwischen den Hütten im Dorf, als er seinem Zorn freien Lauf gelassen hatte? Wie würde er reagieren, wenn er unversehens in einen Kampf mit einem Bären oder einem tückischen Vielfraß oder, noch schlimmer, einem anderen Menschen verwickelt würde? Und zwar mit einem erfahrenen Krieger, nicht einem Mann, den er mühelos ausschalten konnte, bevor die Bestie in seinem Innern danach schrie, freigelassen zu werden?
    Würde er den Wertiger auch dann noch im Zaum halten können?
    Marcalo De’Unnero wusste, dass er dazu nicht im Stande wäre, und deshalb wusste er auch, dass sein Sieg hier draußen, an diesem Abend, von rein symbolischer Natur war, nichts weiter als ein hauchdünner Verband über seinem verletzten Stolz.
    Bei seinem Eintreffen waren einige Jäger bereits wieder ins Dorf zurückgekehrt und verlangten lauthals nach ihrem Abendessen; einer von ihnen schmiss ihm eine Wildgans vor die Füße.
    Da war er wieder, der Geruch des

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