Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn
jenem Zynismus verdrängt, mit dem er Aydrian stets betrachtete, seit der Junge ihn bloßgestellt und ihm das Schwert abgenommen hatte. »Du willst also freiwillig in den Tod rennen«, brummte er. »Und mein Schwert, der Stolz von Festertool, wird gewöhnlichen Dieben in die Hände fallen. Gib es wieder her, Junge, bevor du umgebracht wirst.« Als er geendet hatte, streckte er ihm die Hand entgegen, aber Aydrians einzige Reaktion darauf war ein Blick von eiserner Entschlossenheit, derselbe Blick, mit dem er Rumpar und die anderen angesehen hatte, als er das Schwert gewonnen hatte, ein Blick voller Stärke und Selbstvertrauen.
»Ich werde den Ruhm von Rumpars Schwert mehren, nicht mindern«, erwiderte Aydrian ruhig. »Dabei haben weder du noch das Schwert meine Großmut verdient.«
Mit diesen Worten ließ er Rumpar vor seiner Hütte stehen und ging unter den prüfenden Blicken zahlreicher Dorfbewohner, unter denen bereits Gerüchte die Runde machten, dieser seltsame Junge, Aydrian, wolle ausziehen und Jagd auf die Banditen machen, quer durch das Dorf.
Hinter seinem Rücken vernahm er ihr Getuschel, und als eine Alte zischte: »Er wird noch in den Tod rennen, der Narr!«, fühlte sich einer der stämmigen Jäger aufgefordert, eine noch gehässigere Bemerkung zum Besten zu geben: »Eher schließt er sich diesen Banditen an; ein Glück, dann ist er wenigstens weg!«
Das alles ließ Aydrian ziemlich kalt; und als er sich vorstellte, wie die Stimmung bei seiner Rückkehr umschlagen würde, musste er insgeheim sogar schmunzeln.
Bei seiner triumphalen Rückkehr – davon war er fest überzeugt. Er ließ eine Hand auf das Heft des Schwertes gleiten und schob die andere in den Beutel, der seine weitaus mächtigeren Waffen enthielt.
Sadye und De’Unnero wurden von den Bewohnern Masur Tubers mit offenen Armen aufgenommen; die Menschen des kleinen, abseits gelegenen Dorfes schienen froh über die Ankunft der Neulinge zu sein, auch wenn ein paar meist ältere Frauen empört die Brauen hochzogen und beim Anblick des älteren Mannes mit einer kaum mehr als halb so alten Frau ihr Missfallen durch nicht zu überhörendes Zungenschnalzen bekundeten.
Sie stellten sich vor als Callo und Sadye Crump; ganz offensichtlich fand De’Unnero Gefallen an der feinen Ironie der falschen Namen. Der Vorname war selbstverständlich eine Kurzform seines richtigen Namens, und ihr angenommener Nachname, Crump, verwies unmittelbar auf Bischof Marcalo De’Unneros niederträchtigstes Verbrechen, die Hinrichtung eines Kaufmanns mit Namen Aloysius Crump. Wenn De’Unnero an diesen Namensspielereien seine Freude hatte – schließlich hatte er bereits den Vornamen des ehrwürdigen Vaters Markwart, Dalebert, verdreht und daraus seinen vorherigen Decknamen Bertram Dale gemacht –, so schwelgte Sadye geradezu darin. Die erforderliche Heimlichtuerei, die durchaus ihren Untergang bedeuten konnte, schien den unstillbaren Hunger dieser Frau nach Abenteuer und Gefahr nur noch zu schüren.
Sie wurden mit einem Schwall von Fragen begrüßt, die jedoch nichts Bedrohliches oder übertrieben Neugieriges hatten; es war lediglich eine Gruppe abgeschieden lebender Menschen, die geradezu begeistert waren, Nachrichten aus der Außenwelt zu hören. Und wer wäre geeigneter als die Bardin Sadye, um über die Geschehnisse zu berichten? Als vorübergehende Unterkunft mit der Aussicht auf eine dauerhafte Bleibe überließ man den beiden die verfallene alte Kate eines im Jahr zuvor verschiedenen Dorfbewohners.
Zwei Tage nach ihrer Ankunft, als das Wetter für die Jagd zu schön war und für schwere Feldarbeit viel zu heiß, traf sich ganz Masur Tuber an der verlassenen Kate, und als an jenem Abend die Sonne unterging, war die Hütte wieder bewohnbar.
»Eigener Herd ist Goldes wert – und wie gemütlich es hier ist«, bemerkte De’Unnero mit einem leichten Anflug von Sarkasmus, als die Dorfbewohner sich verabschiedet hatten und er mit Sadye in ihrer neuen Bleibe allein war. »Wir werden uns sofort um die Anschaffung eleganter Möbel kümmern müssen!«
Sadye lachte schallend. »Es ist halt so gemütlich, wie man es sich macht«, sagte sie augenzwinkernd. »Selbst eine einfache Bauernhütte kann ihre Reize haben, denn was zählt, ist nicht, wo man sich befindet, sondern was man tut, solange man dort ist.«
Eine Aufforderung, der nachzukommen De’Unnero größte Lust verspürte.
Als sehr viel später im Kamin vor ihnen ein Feuer brannte und Sadye zarte Weisen
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