Schattenelf - 2 - Das Turnier
dieser merkwürdige Nachtfalke? Wer, wenn nicht der Liebhaber der Königin?«
»Ihr Sohn«, erwiderte De’Unnero ruhig. »Das gemeinsame Kind von Jilseponie und Nachtvogel.« Er wartete einen Augenblick, um die Bemerkung wirken zu lassen, dann fügte er mit Bedacht hinzu: »Und, nach den Worten Eures Königs am Tage seiner Vermählung, der Erbe des Bärenreiches.«
Wieder war Kalas wie vom Donner gerührt. De’Unnero, nach wie vor unsicher, ob er sich richtig verhalten oder mit seinem forschen Auftreten all seine ehrgeizigen Pläne in Gefahr gebracht hatte, langte nach unten und zog einen kleinen Beutel mit Edelsteinen aus seinem Gürtel, den er Kalas vor die Füße warf. »Davon besitze ich noch viele tausende«, versicherte er dem Mann, der auf die glitzernden Steine starrte, die aus dem Säckchen herausgekullert waren. »Ich habe mehr Reichtümer in meiner Schatzkammer als der gesamte Adelsstand des Bärenreiches zusammen«, fügte De’Unnero hinzu.
»Was … was soll der Unfug?«, fuhr Kalas ihn an und sprang abermals auf. »Glaubt Ihr vielleicht, meine Loyalität gegenüber dem König sei käuflich?«
»Natürlich nicht!«, erwiderte De’Unnero ebenso heftig. »Der König ist noch das einzig Gute in diesem verlotterten Bärenreich. Ich verlange keineswegs von Euch, dass Ihr Euch gegen ihn stellt; dazu würde ich mich nie herablassen.«
»Was dann?«, fragte Kalas, dessen Zorn seine Neugier nach wie vor zu überwiegen schien. De’Unnero fragte sich erneut, ob es klug gewesen war, hierher zu kommen.
»Ich bin nicht gekommen, um mich Eurer Dienste zu versichern, Herzog Kalas«, erklärte er ruhig. »Das war keineswegs meine Absicht; ich dachte nur, ich wäre es Euch schuldig, Euch über die wahre Situation ins Bild zu setzen. Nach des Königs eigenen Worten ist Aydrian – so lautet der richtige Name des jungen Kriegers – als Jilseponies Sohn der rechtmäßige Erbe des Bärenreiches.«
»Diese Hexe hat ihm die Wahrheit verschwiegen«, murmelte Kalas.
»Keineswegs«, erwiderte De’Unnero. »Sie weiß nicht einmal, dass Aydrian existiert, denn er wurde ihr auf dem Feld vor Palmaris weggenommen, als sie nach ihrem Kampf mit dem ehrwürdigen Vater Markwart bewusstlos war.«
»Verflucht sei sein Name!«, warf Kalas ein. De’Unnero überging die Bemerkung.
»Jilseponie war in dem Glauben, ihr Kind sei tot«, fuhr der ehemalige Mönch fort. »Sie wird sehr überrascht sein, wenn sie erfährt, dass sie die Königinmutter ist – falls es jemals dazu kommt –, und noch überraschter wird sie sein, wenn sie erfährt, dass ihr Sohn sie von ganzem Herzen hasst, sogar noch mehr als Ihr oder ich.«
»Sie wird niemals Königinmutter sein«, knurrte Herzog Kalas. »Ihr redet daher wie ein Narr …«
De’Unnero erhob sich und bedachte sein Gegenüber mit einem eindringlichen Blick, der den Mann sofort verstummen ließ. »Ihr habt nur einen Bruchteil von Aydrians Kräften zu spüren bekommen, Herzog Kalas«, sagte er ruhig. »Er hat Euch erst getötet und anschließend Eure Seele aus dem Reich der Toten zurückgeholt.«
Kalas’ Atem ging schwer; De’Unnero vermutete schon, die Belastungen des Vortags könnten den Mann überfordert haben. Längst dämmerte ihm, dass es eine geradezu brillante Idee gewesen war, die Dinge zu diesem Zeitpunkt zusätzlich voranzutreiben.
»Wenn es so weit ist, dass ein Thronfolger bestimmt werden muss, wird die Wahl weder auf Midalis noch auf Merwick oder Torrence fallen«, sagte er. »Es tut mir überaus Leid für Eure Freundin Constance, aber sie ist ebenso wenig geeignet, als Königinmutter die Fäden in der Hand zu halten, wie ihre greinenden Gören, den Thron zu besteigen, und das wisst Ihr genau.«
Kalas erwiderte nichts; sein Schweigen sprach Bände.
»Nach Danubes eigenen Worten wird es demzufolge Aydrian sein«, schloss De’Unnero. »Geht und lest es in den Protokollen nach, wenn Ihr nicht anders könnt. Sie wurden, Wort für Wort, einer eingehenden Untersuchung unterzogen, und zwar von Gelehrten einer Gruppierung innerhalb des Abellikaner-Ordens, die nicht gerade froh darüber sind, Jilseponie als Oberste Ordensschwester oder gar als Königin zu sehen.«
Ganz offensichtlich war Kalas entsetzt; sobald De’Unnero durchblicken ließ, dass sein Plan womöglich noch sehr viel umfassender war, schien ihm das Atmen noch schwerer zu fallen.
»Ausgeschlossen«, erwiderte Kalas.
»Jilseponies Kind steht in der Erbfolge noch vor Merwick und Torrence, ja sogar noch vor
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