Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
das wusste Juraviel, würde auch Dasslerond nicht zögern, diesen Menschen zu töten.
In diesem Moment musste Juraviel an Aydrian denken, denn der junge Mann hatte sich lange Zeit auf einem äußerst schmalen Grat bewegt. Wieder überlief es ihn eiskalt.
»Das könnt Ihr unmöglich tun«, platzte Juraviel heraus, ohne vorher groß nachzudenken. Wieder reckte er den Kopf empor und musterte die beiden mit durchdringendem Blick. Lozan Duks Gesichtsausdruck schien so etwas wie Mitgefühl anzuzeigen, Cazziras verzerrtes Gesicht hingegen verriet nur wenig Verständnis.
»Möglicherweise wäre Folgendes eine Lösung«, fuhr Juraviel fort. »Wie viele Jahrhunderte ist es jetzt her, seit unsere beiden Völker voneinander getrennt wurden?«
»Ihr meint wohl, seit die Tylwyn Tou die Tylwyn Doc aus ihrem Land vertrieben haben«, warf Cazzira ein.
»Wer vermag schon zu sagen, was sich damals, vor so langer Zeit, wirklich zugetragen hat«, erwiderte Juraviel. »Aber vielleicht habt Ihr ja Recht – auf jeden Fall gab es damals eine Epidemie. Wie auch immer die Wahrheit aussehen mag – sollen unsere beiden Völker sich auf ewig zu ihrer Geisel machen?«
Cazzira machte Anstalten, etwas zu erwidern, doch Lozan Duk hob die Hand und brachte sie zum Schweigen. »Das zu entscheiden steht uns nicht zu«, erklärte er. »König Eltiraaz wird einiges zu Eurem Schicksal anzumerken haben, Belli’mar Juraviel.«
»Und was geschieht mit Brynn?«
»Sie ist für das Torfmoor bestimmt«, zischte Cazzira.
Juraviel schüttelte trotzig den Kopf. »Ihr macht einen Fehler. Einen Fehler, den die Touel’alfar nicht so schnell verzeihen werden.«
»Wollt Ihr uns etwa drohen?«, fragte die Frau verärgert.
»Ich spreche ganz offen und in der Hoffnung, dass dieses Zusammentreffen nicht in einer Tragödie enden muss. Brynn Dharielle –«
»Ist ein Mensch, und wir lassen nicht zu, dass ein Menschenwesen überlebt, das unaufgefordert unser Land betritt!«
»Brynn Dharielle ist eine Hüterin«, fuhr Juraviel unbeirrt fort. »Sie ist nicht wie die anderen ihrer Art. Sie wurde über viele Jahre in der Heimat der Touel’alfar ausgebildet und hat während dieser Zeit ein Verständnis für mein … für unser Volk übermittelt bekommen, das sie weit über ihre doch eher armseligen Mitmenschen erhebt. Mein Volk setzt großes Vertrauen in sie und ist überzeugt, dass sie verantwortungsbewusst handelt. Ich sage Euch das jetzt, damit Euch die unweigerlichen Folgen klar sind, falls Ihr so weitermacht. Ich möchte, dass in einem Punkt völlige Klarheit herrscht: Brynn Dharielle ist in allem außer ihrer Abstammung eine Touel’alfar, und wir beschützen unseresgleichen ebenso leidenschaftlich wie die Doc’alfar.«
Während dieses Vortrags hatten sich Cazziras Gesichtszüge zunehmend angespannt, und als Juraviel schließlich unter Verwendung des in seinem Volk gebräuchlichen Namens von ihren eigenen Leuten sprach, zuckte sie spürbar zusammen.
»Wollen wir voneinander lernen, oder wollt Ihr alle Chancen zu Freundschaft und Verbrüderung zunichte machen, bevor sie überhaupt geprüft wurden?«
Lozan Duk sah zu seiner Begleiterin hinüber und starrte sie unverwandt an, bis Cazzira ihre zornigen Augen endlich von Juraviel löste und seinen Blick erwiderte. Schließlich bedeutete er ihr mit einem knappen Blick auf Juraviel, ihn kurz zu begleiten, damit er sie unter vier Augen sprechen konnte.
Belli’mar Juraviel lehnte sich zurück und versuchte die erstaunliche Wendung zu begreifen, die die Geschehnisse an diesem Abend genommen hatten. War es möglicherweise ein Fehler gewesen, Brynn nach besten Kräften zu verteidigen? Vielleicht hätte es die Pflicht gegenüber seinem Volk verlangt, sich erst einmal selbst in Sicherheit zu bringen, ganz gleich wie hoch der Preis für Brynn sein mochte, sich anschließend nach Norden abzusetzen und Lady Dasslerond davon zu unterrichten, dass die Doc’alfar sehr wohl noch existierten und sich bester Gesundheit erfreuten.
Nein, entschied Juraviel. Er würde Brynn nicht opfern. Er war entschlossen, sich aus dieser misslichen Lage zu befreien, und Brynn würde dabei an seiner Seite sein.
Aber während er dort auf seinem Ast lag, umwickelt von einem unnachgiebigen Strick, einen mächtigen Zombie unmittelbar über sich, musste Juraviel sich eingestehen, dass Wunsch und Wirklichkeit zwei doch sehr verschiedene Dinge waren.
»Erklär den Priestern, sie sollen König Eltiraaz’ Entscheidung abwarten«, wies Lozan Duk
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