Schattenelf - 4 - Feuerzauber
Fingern und fühlte die Körnung des Steins. Er konzentrierte sich auf seine Körpermitte, blendete die Rufe hinter sich und auf der linken Seite aus, fand sein Chi und ließ es aufsteigen, bis er ihm folgen und spinnengleich an der Wand hinaufkrabbeln konnte. Als er sich dem oberen Rand näherte unter ihm liefen soeben einige nichts ahnende Wächter vorbei –, vernahm der Mystiker lautes Streiten und Stimmengewirr aus dem Innern des riesigen, kreisrunden Saals.
Noch ehe er dazu kam, irgendwelche Betrachtungen darüber anzustellen, verriet ihm ein lauter Ruf von unten, dass man ihn entdeckt hatte. Mittlerweile dreißig Fuß über dem Boden, bewegte er sich schneller an der Wand entlang.
Ein Pfeil verfehlte ihn nur knapp und prallte von der Wand ab.
»Schafft mehr Bogenschützen her!«, hörte man den Chezhou-Lei brüllen. »Schießt diesen lästigen Kerl von der Wand!«
Pagonel riskierte einen kurzen Blick nach unten und erwog, sich auf die Meute fallen zu lassen und wenigstens den Chezhou-Lei zu töten, bevor man ihn niedermetzelte. Aber dann wurde ihm bewusst, wie sinnlos das im Grunde wäre. Sollte er etwa aus Gehässigkeit töten oder aus Zorn?
Das entsprach nicht dem Geist der Jhesta Tu. Tatsächlich gab es für Pagonel in dieser Situation nichts zu gewinnen, wenn er sich auf die Behreneser fallen ließe, weder für ihn selbst noch für Merwan Ma oder die Ziele Brynns oder To-gais.
»Euer Chezru-Häuptling ist ein Betrüger«, rief er hinunter. »Er besitzt einen Seelenstein der Abellikaner und benutzt ihn auch!«
Die Antwort erfolgte in Form eines Pfeils, der sich tief in seine Wade bohrte und ihn fast den Halt hätte verlieren lassen.
Ächzend zog er sich höher hinauf, näher unter die Decke. Erst jetzt bemerkte er, dass die Wand, an die er sich klammerte, nicht durchgehend vom Fußboden bis zur Decke reichte, sondern unmittelbar vor ihrem oberen Ende eine umlaufende Nische aufwies. Im hinteren Bereich dieser Nische stieß er auf ein Gitter, das Ausblick auf einen weiten, kreisrunden Saal voller Sitzreihen mit aufgebracht untereinander diskutierenden Yatols gewährte.
Er wusste, lange würde er hier nicht sicher sein, denn die Nische war nicht tief. Die Bogenschützen unten im Korridor brauchten nur einen Schritt zurückzutreten, und schon würden sie ihn sehen.
Er tat den beunruhigenden Gedanken unverzüglich als wenig hilfreich ab, packte die Gitterstäbe und ließ sein Chi in seine Hände fließen, bis seine Handflächen heiß wurden – heißer als damals, als er seine Heiltechniken bei Brynn und Merwan Ma angewendet hatte.
Er konzentrierte sich noch stärker auf seine Lebensenergie und ließ sie in seine Finger strömen, bis diese sich weiter aufheizten. Aber nicht etwa, um sie dort zu speichern – seine Hände wären dabei verglüht –, sondern um sie durch seine Finger in das Metall der Gitterstäbe fließen zu lassen, diese zu erhitzen und biegsam zu machen.
Ohne die quälende Hitze weiter zu beachten, begann Pagonel mit aller Kraft zu ziehen.
Ein Pfeil schwirrte in die Nische und wurde von der Decke abgelenkt, ehe er mit kaum verminderter Wucht gegen den Mystiker prallte. Er vermochte Pagonels Konzentration nicht zu beeinträchtigen. Als das Metall unter seinen magischen Händen fast schon glühte, gelang es ihm, zwei der Stäbe Stück für Stück auseinander zu biegen, bis die Lücke groß genug war, um hindurchzuschlüpfen.
Er zwängte sich auf den Sims oberhalb des riesigen Audienzsaals und schob sich vor bis zur Kante. Kaum hatte er seine Aufmerksamkeit auf die Versammlung unter ihm gerichtet, da erkannte er auch schon, dass es Yakim Douan persönlich war, der soeben das Wort an die Yatols richtete, von einem Podium auf der anderen Seite aus, zu dem eine breite, ausladende Treppe hinaufführte. Die Sitzplätze, etwa eintausend an der Zahl, waren zu einem Halbkreis angeordnet, aber nur die vordersten waren besetzt.
Pagonel musterte den Saal aufmerksam, obwohl er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, denn just in diesem Augenblick erteilte der Chezhou-Lei den Wachen mit lauter Stimme den Befehl zur Erstürmung des Audienzsaals, um den Chezru-Häuptling zu beschützen.
Pagonel zog sich über den Rand und sprang, ließ sich die dreißig Fuß bis zum Boden fallen und landete mühelos in einer die Wucht des Aufpralls dämpfenden Rolle. Sofort schwenkten alle Köpfe in seine Richtung herum. Eine Gruppe von Wachen, hinter dem Podium postiert, auf dem Yakim Douan saß, stürzte
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